Hosenträger Tracht
Macht der Tracht

Die Aschauer pflegen die lokale Tracht mit viel Liebe und Engagement. Und Peter Pfaffingers dazu passende Messer haben selbst in Amerika eingeschworene Liebhaber. Ein „boarisch gechillter“ Besuch im Chiemgau

Lesezeit: 12 Minuten

Messer und Gabel "to go" von Messermacher Peter Pfaffinger

Wenn Peter Pfaffinger sich in sein „G’wand“ wirft, sieht das anders aus als bei den örtlichen Trachtlern: flacher Hut statt Gamsbart, lange, dunkle Hose statt kurzer Ledernen, schwarze Jacke mit Silberknöpfen statt Leinenhemd und Hosenträger.

Pfaffinger führt heute die Sonntagstracht eines Handwerksmeisters aus dem 19. Jahrhundert aus, sie wirkt fesch und durchaus ehrfurchtgebietend. „Das kommt bei Messen und Veranstaltungen immer recht gut an“, sagt Pfaffinger. Dort präsentiert er seine handgeschmiedeten Messer und „Bestecke“. Die führten einst reisende Handwerker mit sich und waren fast in Vergessenheit geraten.

Dass man im Gasthaus zum Essen auch Messer und Gabel vorgesetzt bekommt, ist heute keine Frage. Aber vor 150 Jahren war das nicht so. Damals trug ein reisender Handwerker, der auf sich hielt, ein „Fuhrmannsbesteck“ mit sich: Messer, Gabel und einen Rundstahl zum Schärfen der Klinge.

Auch die „freien Frauen“, also keine Dienstbotinnen, trugen ihr eigenes Besteck am Gürtel – ein Statussymbol und praktisch dazu. Die Gabeln wurden nur für Fleisch benutzt, aber wer konnte sich das damals schon leisten?

Aschau Prien

Messer mit Sinnsprüchen

Erst mit 50 Jahren spezialisierte sich Pfaffinger, der in seinem vorherigen Berufsleben Zahntechniker war, auf die Herstellung der filigranen Messer. Von der im Härteofen geschmiedeten Klinge bis zur Einlegearbeit aus Perlmutt oder Silber führt er sämtliche Arbeitsschritte selbst aus.

Oft wünschen sich seine Kunden Symbole oder Sprüche mit persönlichem Bezug auf dem Griff. Einem Friseurmeister kreierte er winzig kleine Schere und Kamm aus Silber, für Erstkommunikanten und Firmlinge gibt’s Sinnsprüche wie „Gesundheit, Freude, Frieden sei allzeit dir beschieden“. So ein Messer soll durchs Leben begleiten. Die Lederscheiden sind ebenfalls handgemacht und mit besonders widerstandsfähigem Aalleder überzogen.

Messer
Messerschliff

Messerfan aus Kalifornien

Pfaffingers Kunden kommen aber nicht aus Aschau, sondern aus ganz Europa und aus Übersee. „Ein Sohn von Cher hat Bestecke von mir, das taugt ihm einfach“, sagt der Messermacher. „Und für seine Frau hat er zwei Drudenmesser bestellt, die mit vorchristlichen Symbolen dekoriert sind.“ Pfaffinger stellt alles nach Wunsch her, von der „extrem fuzzeligen“ Einlegearbeit aus Perlmutt bis zum Silberschmuck.

Messermacher Aschau

Bergsteigen und Moorbaden

So bunt gemischt wie Pfaffingers Kundschaft sind die Urlaubsgäste in der Gemeinde Aschau, die sich in eine wahre bayerische Bilderbuchlandschaft schmiegt. Ambitionierte Wanderer und Naturfreunde zieht es in den Ortsteil Sachrang, der als zertifiziertes „Bergsteigerdorf“ den Startpunkt für eine Vielzahl an Touren in den westlichen Chiemgauer Alpen bildet.

Ein besonders entspannender Ort ist der Moorbadeplatz Aschau. Der streng geschützte Bärsee speist das ausgedehnte Naturbad zusammen mit klarem Wasser aus den Bergen, das in der angeschlossenen Kneipp-Anlage selbst an heißesten Tagen für Erfrischung sorgt.

Meist geht es dort sehr ruhig und gemächlich zu, weil die Dorfjugend den nur wenige Kilometer entfernten „Aschauer Badeplatz“ bevorzugt. Der scheint zum Sehen und Gesehenwerden besser geeignet zu sein als das stille Plätzchen am Waldrand.

Moorbad Aschau
Trachtlerin

Boarisch chillen!

Entspannung mit Aussicht bietet der „Boarische Entschleunigungsweg“ in der Höhe. Zehn Themenbänke laden mit leichten Übungen für Seele, Geist und Körper zum „Boarisch Chillen“ ein. Insgesamt stehen in und um Aschau fast 500 Bänke für die kurze oder längere Rast, davon rund 200 teils kunstvoll bemalte Themenbänke.

„Hock di nieder!“ Insgesamt stehen in und um Aschau fast 500 Bänke

– Setz dich her und genieße das Leben! – lautet das Motto des Bankerldorfs Aschau. Besonders schön sitzt es sich an der Prien, einem der längsten Wildwasserbäche Bayerns. Oder im Kurpark mit dem Kampenwand-Bankerl als beliebtem Selfie-Motiv.

Hinauf auf die Kampenwand muss man trotzdem – sportlich zu Fuß oder bequem mit den gelben, roten und blauen Vierergondeln der nostalgischen Seilbahn. Spazier- und Wanderwege führen oben zu mehreren bewirtschafteten Almen.

Hausgemachten Buttermilchkuchen und deftige Brotzeiten gibt’s auf der ruhigen „Möslarnalm“ gleich unterhalb der Bergstation, mehr Rummel herrscht auf der „Steinlingalm“, vor allem donnerstags, wenn bis 23 Uhr geöffnet ist und Musikanten aus der Region aufspielen.

Bankerlweg

Prachtvolle Säle für Trauungen

Bei der Fahrt zurück ins Tal kommt Schloss Hohenaschau in all seiner Pracht in den Blick. Ende des 12. Jahrhunderts als Höhenburg erbaut und jahrhundertelang Sitz der prägenden Herrschergeschlechter des westlichen Chiemgaus, erhielt es erst Anfang des 20. Jahrhunderts durch die aus Nürnberg stammende Industriellenfamilie Cramer-Klett sein heutiges Gesicht und ist heute im Besitz der öffentlichen Hand. Es ist nur im Rahmen von Führungen zu besichtigen, die mehrmals in der Woche stattfinden.

Beeindruckend sind Preysing- und Laubensaal, beide überaus detailreich bemalt und häufig Schauplatz standesamtlicher Trauungen. Dass Hochzeitsgäste oft ihre ganz eigene Interpretation von „Tracht“ zur Schau stellen, nötigt den Aschauern schon mal ein Schmunzeln ab.

Prunksaal im Schlossmuseum
Schloss Hochaschau

Gretlfrisur, Schultertuch und der Kini

In den Trachtenvereinen ist es jeweils streng geregelt, wie die Männer- und Burschentracht auszusehen hat, wie die der älteren Frauen, der Kinder und der „aktiven Deandln“, die bei festlichen und kirchlichen Anlässen offiziell auftreten.

So ist etwa den Hohenaschauerinnen der Hut aus grünem Filz mit beidseitig aufgebogener Krempe ebenso vorgeschrieben wie die Gretlfrisur mit geflochtenen Zöpfen und das hellblaue Schultertuch mit Fransen.

Bei der Festtagstracht der Männer muss es die forstgrüne Lodenhose sein, alternativ auch die „moosgrüne, ausgestickte Lederhose“. Ganz so eng sehen die „Buam“ und „Deandl“ das alles natürlich nicht – sie haben einfach Spaß daran, ein Teil der Tradition zu sein und ihre fesche Tracht auf den zahlreichen Festen im Sommer auszuführen, von den Johannifeiern am 24. Juni über die Kräuterweihe am 15. August bis zu den Almabtrieben und Erntedankfesten im Herbst.

Auf dem Latz zwischen den Hosenträgern prangt häufig das Porträt von König Ludwig II. – bei den Niederaschauern umrahmt von kunstvoll gesticktem Edelweiß. Auch Peter Pfaffinger hat den „Kini“ gut drauf und verewigt ihn immer wieder auf seinen Messern: „Die Königstreuen wollen ihn alle haben!“ Oder er bildet die erhabenen Schwäne ab, für die der „Märchenkönig“ so schwärmte, denn die sehen in Silber oder Perlmutt selbstverständlich besonders gut aus.

Gamsbart

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