Die Tagungsstätte Wildbad bietet Besuchern nicht nur eine traumhafte Unterkunft für Streifzüge durch Rothenburg ob der Tauber. Wer will, macht auch mit beim Yoga im Märchenschloss-Ambiente
Wildbad Rothenburg
Anzeige | Die Spätsommersonne spitzt warm aus dem Blätterdach der uralten Bäume herab. Dort, wo die Lichtspots auf den Rasen des Parks treffen, hat Pfarrer und Yogalehrer Wolfgang Schuhmacher seine Gruppe im Halbkreis auf den Yogamatten verteilt. Zu Beginn der nächsten Übungen lauschen sie aufmerksam ihrem Lehrer. Konzentrierte Körperspannung ist gefragt bei der Übung „Navasana“, zu Deutsch „Das Boot“.
Auf dem Boden sitzend, heben dabei die Teilnehmenden ihre Beine leicht an, der Oberkörper wird aufgerichtet, die Hände strecken sich in Richtung Füße. Nach einer Minute lächelt Schuhmacher und wirkt dabei völlig unangestrengt, während manche Teilnehmerinnen und Teilnehmer offensichtlich schon ihre Bauchmuskeln spüren. Oder aber die Zonen, wo diese fehlen.
Wolfgang Schuhmacher: Pfarrer im Lotussitz
Einen evangelischen Pfarrer stellt man sich anders vor. Doch in der bequemen Sporthose fühlt der elastische Theologe sich mindestens genauso wohl wie unterm Talar, schlingt darin die Beine mühelos zum Lotussitz oder verharrt gefühlte Ewigkeiten im Handstand. Als hätte er niemals etwas anderes gemacht.
Von seinen Schülern und Seminarteilnehmenden verlangt Schuhmacher weder Askese noch Akrobatik. „Jeder macht so mit, wie er sich wohlfühlt“, erklärt er mit ruhiger Stimme. Sogar für den Schneidersitz gibt es die superbequeme Variante: Dafür liegen, wie für alle Übungen im Sitzen, samtweiche Po-Kissen bereit.
Seit vielen Jahren schon praktiziert und unterrichtet Schuhmacher das dynamische Ashtanga-Yoga und das ruhigere Yin-Yoga. Mit Yoga und Meditation führt der Leiter der Tagungsstätte Wildbad, am Fuß der Altstadt von Rothenburg gelegen, die christliche Spiritualität Europas mit der Tradition Indiens zusammen.
„Aufs heutige Yoga haben längst Einflüsse aus der ganzen Welt eingewirkt und viele Yoga-Übungen sind erst in den letzten hundert Jahren entstanden“, erklärt er. In dieser Zeit habe eine große Austauschbewegung stattgefunden. Auch Klangschale und Kreuz passten somit zusammen.
Begonnen hatte der Yogavormittag im Theatersaal des ehemaligen Kurhotels, einer Säulenhalle, wo Sonnenstrahlen durch die Jugendstilfenster Eingang finden und das Marmormosaik des Bodens wie lebendig erscheinen lassen. Weiter geht es für die Yogaschüler nun in der Arkadenhalle im Garten.
Wo vor 120 Jahren die feine Gesellschaft nach dem Bad unter verspielten Bögen lustwandelte und keck den kleinen Finger vom Kaffeetässchen spreizte, stellt Schuhmacher alle auf zum „Virabhadrasana“, auch „Krieger“ oder, weniger martialisch, „Held“ genannt. Die Übung erinnert entfernt an das Tanz-Emoji auf der Smartphone-Tastatur, entpuppt sich bei durchgestreckten Armen und angewinkelten Knien aber durchaus als anspruchsvoll.
Im kühlen Bett der Tauber sorgen schließlich Übungen auf den Flusskieseln, bei denen man auf einem Bein steht, für maximale Fußmassage und fordern den Gleichgewichtssinn heraus. Dann geht es zum Mittagessen zurück ins schlossähnliche Anwesen, das die 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liebevoll als Mix aus Neuschwanstein, Hogwarts und dem Zauberberg à la Thomas Mann bezeichnen. Das trifft es ziemlich gut. Und in der Tat nahm das Wildbad schon unterschiedliche Rollen ein. Lediglich eine Zauberschule war es noch nicht.
Geschichte des Wildbads: Am Anfang war ein Erdbeben
Dass die schönsten Geschichten mit einem Erdbeben beginnen, kommt ja eher selten vor. Im Taubertal des Jahres 1356 trug es sich aber genauso zu. Ein ordentlicher Rumpler ließ damals den Wald unterhalb des beschaulichen Rothenburg erzittern und dabei erstmals eine Quelle sprudeln, deren Wasser man schon bald heilende Wirkung zusprach.
Ein erstes Kurhaus stand dort bereits 1539. Im 19. Jahrhundert wurde daraus eine Heilanstalt. Zur Jahrhundertwende wurde das Gebäude zum vornehmen Kurhotel „Wildbadetablissement“ ausgebaut und der Park drum herum zum naturnahen „Pleasure Garden“ nach englischem Vorbild umgestaltet. In diesen „goldenen Jahren“ fanden im Rokokosaal Konzerte und festliche Galadinner statt.
Während des Zweiten Weltkriegs war das Haus erst Lazarett, dann Kinderheim, US-Lager und schließlich Auffangstation für Vertriebene. In der Nachkriegszeit nutzte die Polizei das Wildbad zwischenzeitlich als Ausbildungszentrum, bevor es in den 1980er-Jahren in den Besitz der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern kam.
„Christliche Lebenskunst“, so beschreiben Schuhmacher und sein Team heute den ganzheitlichen Ansatz der Veranstaltungen und Tagungen rund ums Jahr, darunter die „Hildegard-von Bingen-Tage“, die Wochen für Senioren oder die Seminarreihe „Body and Soul“. Yoga im Kontext christlicher Spiritualität, kreatives Gestalten und Naturerlebnis sind dabei wichtige Elemente.
Mit klassischen Konzerten und regelmäßig stattfindenden Kunstausstellungen knüpft man an die Blütezeit des Wildbads an. Kunst gibt es überall im riesigen Gebäude zu entdecken. Beim Projekt „Art Residency Wildbad“ werden nationale und internationale Künstlerinnen und Künstler eingeladen, eine Zeit hier zu leben, zu arbeiten und natürlich auch auszustellen.
Übernachten im Wildbad: Romantisch mit Slow Food
Im Villenanbau, dem Hotelteil der Anlage, gibt es 57 romantische Zimmer, mal modern, mal mit Himmelbett. Wer will, nutzt das Wildbad lediglich als komfortables Basislager für Wanderausflüge ins Taubertal oder für Streifzüge durch Rothenburg, dessen Altstadt zu Fuß gerade einmal fünf Minuten entfernt ist.
Auf die Köstlichkeiten der hauseigenen Bio-Küche, die sich der Slow-Food-Bewegung verschrieben hat, braucht man auch dabei nicht zu verzichten. Auf Bestellung gibt es sogar einen üppig gefüllten Picknick-Rucksack!
Mehr Infos finden Sie unter wildbad.de