Gärtner Ralf Schmitt aka
Der Tropenmacher

Ein Garten Eden, wo normalerweise Brombeergestrüpp wuchert und dickfellige Rinder grasen. Noch dazu energieneutral? Klingt nach dem Traum weltfremder Spinner. Aber „Papaya-Schmitti“ hat ihn erfolgreich umgesetzt

Lesezeit: 12 Minuten

Das Tropenhaus in Tettau

Ralf Schmitt steht auf einer Leiter und hindert seine Mangobäume daran, in den Himmel zu wachsen. Sechs Meter dürfen sie maximal in die Höhe schießen, dann kommt die Glasdecke. In Freiheit erreicht so ein Baum 35 Meter Höhe und einen gewaltigen Durchmesser, so etwas geht natürlich nicht in Franken.

Hinter dunkelgrünen Blättern schwärmt Schmitt von seinem Plan: Er wolle einige Mangobäume dazu bringen, als Gewächshauskultur große, saftige Früchte zu tragen, besser als Flugware sollen sie werden.

Ein Mann für alles

Schmitt kann mühelos und viel reden, auch wenn er sich mitten in einem Baum befindet: „Mit der neuen Schnittmethode haben wir hoffentlich Erfolg.“ Er kappt auch die Zweige, an denen Knospen sitzen. „Das fällt mir schwer, aber die Früchte, die aus den zweiten Blüten entstehen, werden größer und aromatischer!“ Diesen Tipp hat Schmitt von indonesischen Obstbauern.

Er ist nicht nur Gärtner, sondern auch Forschungsleiter und Geschäftsführer der gemeinnützigen GmbH Klein-Eden, einem tropischen Nutzgarten. Drei Jobs erledigt er also und tausend Ideen sprudeln ihm gleichzeitig im Kopf, der Mann ist immer in Bewegung, sonst keine auffälligen Merkmale: schlank, mittelgroß, wenige mittelblonde Haare, Bart und er mag exotische Tiere und Pflanzen.

Abenteuer Tropen

Am liebsten erzählt er von seinen Papayas, nach denen er im Dorf und auf Facebook Papaya-Schmitti heißt: „1.350 Kilo Ertrag hatten wir 2019! Meine Papayas entwickeln ein unvergleichliches Aroma“, schwärmt Schmitt.

Das Tropenhaus ist dank der Abwärme der nahen Glashütte energieneutral

„Eine Thailänderin kauft oft für die Community hier ein. Sie sagt, unsere Früchte schmecken wie zu Hause frisch vom Baum gepflückt. Die Familien bereiten ihren grünen Papaya-Salat damit zu, auch die Chilis kaufen sie bei uns.“

Seit 2014 schimmert das 3.500 Quadratmeter große Gewächshaus an einem Hang vor den braven Einfamilienhäusern von Kleintettau, direkt an der ehemaligen innerdeutschen Grenze.

Es wurde mit Fördermitteln der EU und des allgemeinen Umweltfonds finanziert und wird von einigen lokalen Unternehmern und der Region getragen. Auf der Wiese davor weiden zottelige schottische Hochlandrinder, die gelben Industriegebäude einer Glashütte stehen in Sichtweite.

Polykultur ist das Zauberwort

In Franken tropische Früchte anbauen zu wollen, das wäre ökologisch und wirtschaftlich gesehen nicht ganz gescheit. Doch Schmitts Glaspalast ist dank der Abwärme der nahen Glashütte energieneutral. Unter dieser Voraussetzung konnte das Abenteuer Tropen vor sieben Jahren starten.

Polykultur nennt sich das Konzept der Betreiber: Afrikanische Buntbarsche schwimmen in Regenwasser, Würmer verwandeln Futterreste und Ausscheidungen der Fische in einer speziellen Filteranlage zu Dünger. Mit dem warmen, nährstoffreichen Wasser werden die Pflanzen gegossen. Eine solche Filteranlage soll 2022 in Betrieb gehen, im Moment sind die Becken leer.

Im Tropenhaus
Erdbeerguaven aus dem Tropenhaus

Krokodile züchten

Im Dorf hält sich die Legende, dass die Glas-Leute ursprünglich Krokodile züchten wollten. Im Gasthaus „Söllner“ in Kleintettau sei das ausgeheckt worden. „Genial, genug Hitze haben wir ja“, habe man geprahlt. So ähnlich könnte es gewesen sein, gibt Thomas Eidloth lächelnd zu, als Nachhaltigkeitsmanager der Glashütte müsste er dabei gewesen sein.

Es wäre doch schlau, die Abwärme der Flakonfabrik nicht in die Atmosphäre zu blasen, sondern stattdessen ein kleines Paradies damit zu heizen. Und, man ist ja nicht umsonst Unternehmer, damit auch Geld zu verdienen.

In die Wärme geflüchtet?

Wichtige Fragen sind zu Beginn des Projekts zu klären: Welche Pflanzen sind geeignet? Würde das Tageslicht im Winter ausreichen? Wie bekämpft man Parasiten? Welche Düngemittel, welchen Boden, wieviel Wasser? Welche Fische? Beantworten kann das niemand, denn in Europa gibt es nichts Vergleichbares.

Als Schmitt sich um die Stelle als Forschungsleiter bewirbt, muss er mit den unbedarften Erwartungen der Gesellschafter der neu gegründeten GmbH gründlich aufräumen. Man glaubt an schnellen Erfolg und reiche Ernte, doch so einfach sei die Sache nicht.

"Ich wollte Koch werden und liebe perfekte Lebensmittel"

„Pflanzen sind Lebewesen! Es gibt keine Erfahrungen mit dem Anbau tropischer Früchte und Fischzucht unter Glas. Wir müssen experimentieren. Mit Gewinnen dürften wir vorerst nicht rechnen, so knallhart habe ich denen die Illusionen zerstört. Und trotzdem den Job bekommen, obwohl sich außer mir 56 Akademiker beworben haben.“

Schmitt hätte in der Baumschule, die er leitete, bleiben können. „Manche behaupten, ich sei nur ins Warme geflüchtet“, lacht er. „Stimmt aber nicht. Na ja, zum Teil vielleicht, es ist ja angenehm, im T-Shirt bei konstant 24 Grad zu arbeiten. Außerdem habe ich als ,Foodie‘ mit Tannen und Thujen wenig Spaß. Ich wollte Koch werden, habe Gewürzsommelier gelernt und liebe perfekte Lebensmittel. Mich tagelang durch einen thailändischen Streetfood-Markt treiben zu lassen, das ist mein Traum.“

Exotische Früchte aus dem Tropenhaus Tettau in Franken: Bio, regional und nachhaltig

Früchte für die Sterneküche

Da ist sich Papaya-Schmitti sehr einig mit Foodscout Joshi Osswald, seinem besten Kunden. Der Riese mit Guy-Fawkes-Tattoo auf dem Arm und rotem Hipsterbart kauft ihm alles ab, was reif ist, und bringt es in die Zwei-Sterne-Küche des „Posthotel Wirsberg“. Eine riesige Guave, so groß und glänzend wie Joshis Kopf, hat ihm Schmitt schon schmackhaft gemacht.

Auch für die Karambolen konnte Schmitt ihn gewinnen. „Sternfrüchte? Na, brauch ma ned, habe ich früher gedacht“, gibt Joshi zu. „Säuerliche, blasse Dekoration neben Desserts, so kannte ich sie. Diese hier sind anders: Ihre dicken, gelben Rippen glänzen saftig, ihr Geschmack ist intensiv-fruchtig. Ich nehme alle. In meinem Fermentierlabor mache ich Delikatessen draus, sie passen nicht nur zu Desserts, sondern salzig eingelegt auch hervorragend zu Fisch.“

Schmitt nickt eifrig, wie ein stolzer Vater erzählt er von der geschmacklichen Vollkommenheit seiner exotischen Kinder aus aller Welt: Guaven und Zedratzitronen, Maracuja und Lulo, Sternfrüchte, Ingwer, Chili und Kardamom.

Die Papayas im Tropenhaus Tettau entwickeln ein unvergleichliches Aroma
Intensiv-fruchtig: Sternfrüchte aus Franken

Alles bio, was sonst?

Der Anbau im Tropenhaus genügt biologischen Ansprüchen, Pflanzenschutzmittel sind für den Gewächshausanbau sowieso nicht zugelassen. Schlupfwespen und australische Marienkäfer erledigen den Job. Mit der Pinzette durchs Gebüsch kriechen und Maracujablüten bestäuben muss Schmitt selbst.

Es lohne sich, meint er, pflückt eine grün melierte, tennisballgroße Kugel vom Baum und schneidet sie auf. „Das Innere läuft zäh vom Löffel und schmeckt süß-säuerlich und erfrischend. Im Supermarkt sind sie immer bräunlich verschrumpelt, ihr Geschmack lässt nur schwach ahnen, was eine Maracuja eigentlich ist.

Schlupfwespen und Marien-käfer statt Chemiekeule

Schmitt schmeißt Plantage, Besucherhaus und Laden mit drei festen Mitarbeitern, einer Kassiererin und drei Praxisstudenten von der Uni Weihenstephan. Die Führungen im 800 Quadratmeter großen Besucherhaus übernimmt er selbst.

Eigentlich wollten wir neben Kakaofrüchten, Bananen, Maracuja, Erdbeerguaven, Patellas und anderen Früchten seine tropischen Lieblingstiere sehen: Pfeilgiftfrösche, japanische Langschwanzechsen, Gespenstschrecken. Sie verstecken sich allerdings meist in ihren Terrarien.

Große Pläne reifen auch

Überall, wo konstant Niedrigtemperaturabwärme entstehe, könne eine tropische Obstplantage mitgeheizt werden, meint Schmitt. Wie und wo das möglich ist, wird das aktuelle Forschungsprojekt mit der Uni Weihenstephan herausfinden.

Mobil soll die Plantage der Zukunft sein, deshalb läuft eine Versuchsreihe mit Topfkulturen. Natürlich beginnt Papaya-Schmitti mit seiner erfolgreichsten Pflanze. Er setzt Papaya-Bäumchen in große Plastikbottiche. „Wenn die Topfkultur funktioniert, brauchen wir keine Grundstücke mehr.“

Man könne auf Flachdächern von Betrieben produzieren, deren Abwärme benützen. Statisch sei das bei vielen möglich, meint er, die Topfkultur wiege nicht so viel, kein Flächenverbrauch, kurze Transportwege der Wärme, am Ende gäbe es viele Tropenhäuser, viele Früchte, kein CO2-Fußabdruck, keine Pestizide.

Um seinen Traum Wirklichkeit werden zu lassen, ist viel zu tun. „Wir müssen herausfinden, wieviel Wasser und Dünger die Pflanze in ihren verschiedenen Entwicklungsphasen braucht: Blüte, Wachstum, Fruchterzeugung“, erklärt Schmitt das Forschungsprogramm. Wenn er es geschafft hat, dass einige weitere Paradiesgärten den Betrieb aufnehmen, hat Schmitt vielleicht endlich Zeit, in die Tropen zu reisen.

Mehr Informationen unter tropenhaus-am-rennsteig.de

Das Tropenhaus
Gärtner Ralf Schmitt forscht im Tropenhaus Tettau an Topfkulturen
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