Rossmarkt Berching: Die Wurzeln des Rossmarkts in Berching reichen zurück bis ins 17. Jahrhundert
Oberpfalz' next Top model

Zum Berchinger Rossmarkt werden über 100 Pferde und Gespanne aufgetrieben. Der Catwalk der bis zu 1.200 Kilo schweren Kaltblüter stiehlt auch politischen Platzhirschen die Schau

Lesezeit: 12 Minuten

Rossmarkt in Berching

Bereits um kurz vor 5 Uhr werden an diesem eisigen Februarmorgen die Pferde im Stall geweckt. Es gibt noch viel zu tun vor der Abfahrt. Während Veit und Hansi kaum die Augen offenhalten können, rückt Michaela Streb ihnen bereits mit der Bürste auf den Pelz, dann folgen Frisur und Pediküre.

Die Mähnen der riesigen Kaltblüter werden gekämmt, bis sie der von Barbie gleichen, die Schweife geflochten, die Hufe auf Hochglanz poliert. Noch sichtlich verschlafen lassen es die beiden Wallache geduldig über sich ergehen und mampfen dabei etwas lustlos das Frühstück aus Heu und Möhren.

Der Vollmond leuchtet am frühen Morgen über dem mittelalterlichen Berching
Wallach Hermann in seinem Stall im Kaltbluthof Streb in Ellingen

Kraftpakete für nachhaltige Forstwirtschaft

Stute Fine wirft den beiden schweren Jungs einen schadenfreudigen Blick zu. Schließlich dürfen sie und die vier übrigen Mitbewohner heute länger im Stall kuscheln. Dessen Decken werden von barocken Säulen gestützt: Der Kaltbluthof Streb befindet sich in der fürstlichen Residenz Ellingen. Die schlossähnliche Anlage ist fast so groß wie das gleichnamige Dorf.

In unwegsamem Terrain, auf dem schwere Maschinen nicht eingesetzt werden können, sind Pferde noch immer die besten Helfer beim Holzrücken „Waldbesitzer besinnen sich immer mehr auf die bodenschonende, sanfte Methode des Holztransports“, erzählt Michaela, die den kleinen Pferdehof vor einigen Jahren übernahm.

Dicke Brummer wie die Süddeutschen Kaltblüter der Strebs bringen dabei auch die massigsten Stämme in Bewegung. Das hat sich rumgesprochen, deshalb gibt es für Pferde und Michaela viel zu tun.

Die Streb-Pferde können noch viel mehr: Hochzeitskutschen oder lange Kirchweihbäume ziehen. Der Auftrag heute ist für die vierbeinigen Multijobber vergleichsweise easy: einfach gut aussehen und locker bleiben inmitten von 20.000 Besuchern auf dem Rossmarkt in Berching.

Luftansicht des Kaltbluthof Streb in Ellingen

Die Vorbereitung begann einen Tag zuvor, erzählt Frauchen gestresst: „Als sie gestern Nachmittag von der Weide kamen, erinnerte das eher an eine Schweinebande, da war erst mal Putzen angesagt.“

Vor dem Stall dampft es vom mittlerweile seidig glänzenden Pferderücken in die dunkle Morgenkälte, dann sind die beiden kastrierten Waldarbeiter mit Zöpfen frisch verpackt im Autoanhänger.

Los geht es beim Rossmarkt schon ab 7 Uhr. Ein praller Vollmond ziert die mittelalterliche Stadtkulisse mit der 500 Jahre alten Wehrmauer samt der dreizehn Türme, über die der Raureif einen weißen Mantel gelegt hat.

Auf dem Kopfsteinpflaster der engen Straßen und Gassen haben die fleißigsten der 200 Fieranten (fliegenden Markthändler) schon Stände aufbaut.

Michaela Streb mit den beiden Kaltblütern Veit (links) und Hansi

Eine alte Tradition

Ein Tipp oder eine Warnung, je nach Geschmack: Die Bratwurst-Semmel gibt’s bei Bedarf auch mit Füllung aus Pferdefleisch. Was daran erinnert, dass die Tradition Rossmarkt über edle Rösser im Geschirr-Bling-Bling hinausgeht. Sind Pferde heute vielerorts eher Statussymbole und Lifestyle-Insignien, waren und sind sie auf dem Land Nutztiere.

Schon im 12. Jahrhundert wurden in Berching regelmäßig Viehmärkte abgehalten. Pferde spielten dabei eine große Rolle. Damit diese putzmunter ihren neuen Besitzern viel Freude und vor allem Dienste leisten konnten, wurde im 17. Jahrhundert von Amts wegen die Rossbeschau verpflichtend.

1926 fand der erste offizielle „Berchinger Pferde- und Fohlenmarkt“ als reiner Pferdemarkt statt, und zwar am Mittwoch nach Lichtmess. Das wird 40 Tage nach Weihnachten gefeiert, der Zeitpunkt hat sich bis heute erhalten. Im Winter gab’s sonst nicht viel zu tun, da kam ein Fest gerade recht. Außerdem liefen die meisten Verträge von Knechten und Mägden an Lichtmess aus.

So fungierte der Rossmarkt auch als Jobbörse. Bereits in den ersten Jahren kam die Idee auf, die schönsten Pferde zu küren und die Besitzer zu belohnen. Mägde und Knechte gibt es heute keine mehr auf dem Rossmarkt, kurioserweise werden auch schon länger keine Pferde mehr verkauft. So ist es vor allem der Catwalk der wiehernden Riesen, der sogenannte Auftrieb durch die Stadt, dem alle in der Kälte entgegenfiebern.

Pferde auf dem Rossmarkt in Berching

Um kurz vor 9 Uhr steigt die Spannung auf dem Platz vor dem Marientor. Da haben Veit und Hansi sich schon längst schnuppernd und wiehernd mit den anderen tierischen Teilnehmern bekannt gemacht. Und auch das Feier-Outfit ist angelegt. Am Kummet genannten Zuggeschirr bimmeln Glöckchen und blitzen die Nieten in der Sonne. Die Ohren sind in blaue Mützchen gestopft, die Stirn schmückt eine kleine Häkeldecke.

Derart gestylt erregen sie selbst ohne Gemächt noch die Aufmerksamkeit der einen oder anderen Stute. Ein opulentes Kummet im Doppelpack kostet den Gegenwert eines Kleinwagens, hat Michaela erzählt. „Nur noch wenige Sattler in Bayern beherrschen das Handwerk, einer davon glücklicherweise in meiner Gegend.“

Mit souveränem Blick stellen sich Veit und Hans den Kameras. Von Nervosität keine Spur. Schließlich tragen die beiden Coolness schon im Rassenamen und sind obendrein alte Showhasen. „Ob sie sich auf den Rossmarkt freuen, weiß ich nicht, auf jeden Fall genießen sie die Gesellschaft der anderen Pferde, das ist ganz offensichtlich“, ist sich Michaela Streb sicher. Nach zwei Jahren Corona Pause ist es umso aufregender, alte und neue Bekannte abzuchecken.

41 Pferdehalterinnen und Halter und 101 Pferde sind beim Rossmarkt Berching am Start
Flauschiges Percheron-Pferd beim Rossmarkt in Berching

Tierisches Schaulaufen: Im Blick sind Fell, Hufe und Mähne

„Manche Halter kommen schon seit 30 Jahren“, erzählt Peter Lerch. Er ist Juror und Moderator des Spektakels. Dem Pferdewirtschaftsmeister und Züchter von Irischen Ponys stehen für den prüfenden Blick Vertreter der Stadt und Fachleute vom Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz zur Seite.

„Ob sie sich auf den Rossmarkt freuen, weiß ich nicht, auf jeden Fall genießen sie die Gesellschaft der anderen Pferde“

41 Pferdehalterinnen und Halter und 101 Pferde sind dieses Mal am Start, neben den ortsüblichen Süddeutschen Kaltblütern auch Islandpferde, Ponys und Exoten wie ein Percheron, dem das zottelige Fell über die Hufe wächst.

„Hat das Fell einen schönen Glanz? Sind die Tiere in einem guten Fütterungszustand? Ist das Pferd schön sauber? Ist die Mähne geflochten? Wie ist der Hufbeschlag?“, zählt Lerch einige der Kriterien auf, die es bei der Prämierung zu beachten gibt.

Dann geht es los. Zum Start reitet die berittene Polizei durch die Schulstraße, die von Tausenden Besuchern gesäumt ist. Danach folgen die Stars des Rossmarkts. Die meisten Pferde werden als Zweispänner von ihren Haltern geführt, einige reiten auch auf ihnen. Unter Applaus geht es vorbei am Podest der Juroren, wo Lerch die Teams vorstellt und mit seinen Kollegen noch mal ganz genau hinschaut.

Michaela hat zwei Freunde mitgebracht, die Veit und Hansi beim Schaulauf mit zur Seite stehen. Als hätten sie nie was anderes gemacht, stolzieren die Tiere durch die Menschenmenge bis zum Reichenauplatz, wo alle Pferde angebunden werden und auf die Preisverleihung warten.

Jetzt gibt es kein Halten mehr für die Besucher. Jede und jeder will mal begeistert streicheln und Fotos machen. Es ist kaum noch ein Durchkommen. Erstaunlich, wie stoisch die felligen Models das Spektakel ertragen.

Luftansicht der Stadt Berching in der Oberpfalz im Winter

Dabei sein ist alles

Dem politischen Zugpferd wird heute nicht ganz die ansonsten gewohnte Aufmerksamkeit zuteil. Am Ende des Zugs reiht sich Markus Söder ein und besteigt die Bühne. Seit den 1960ern nutzen die Ministerpräsidenten den Rossmarkt, um Ross und Reitern zu erklären, was Sache ist.

Gespannte Aufmerksamkeit bei der anschließenden Preisverleihung. Die Strebs kamen zwar nicht zum Zuge. Michaela aber nimmt’s locker. Schließlich haben die Tiere und sie schon öfter Preise abgeräumt. Vielleicht lag es diesmal auch nur am müden Blick von Veit und Hansi.

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