Burgen, Felsen, Freibäder und Klettertouren jeder Schwierigkeit: Die Fränkische Schweiz ist ein Dorado für aktive Familien. Astrid Därr und ihr Sohn Nelion haben einige Spots besichtigt und „beklettert“. Text und Fotos: Astrid Därr
Klettern mit Kindern in der Fränkischen Schweiz
Tobi baumelt in der Hängematte, Nelion sammelt Steine. Kilian hängt in der Wand, Opa Herwig sichert ihn. Labrador Zwolle schläft zufrieden zwischen Kletterseil, Express-Schlingen und Rucksäcken auf der Picknickdecke. Durch die lichten Kronen der hohen Buchen fallen Sonnenstrahlen auf die Felsen.
Am Fuß der Wand im Wald ist es angenehm kühl und schattig. Kilian steigt die „Drachenkante“ im oberen fünften Schwierigkeitsgrad souverän vor. Der rund 20 Meter hohe Felsturm bietet so viele große Griffe, dass Herwig Sedlmayer seinem Enkel keine Hilfestellung geben muss.
Der elfjährige Kilian meistert bereits Routen im neunten Grad und nimmt an Wettkämpfen teil. Sein Opa, Mitte siebzig, genießt das „betreute Klettern“, wie er es nennt. Kilian hängt die Touren ein, Herwig steigt anschließend gemütlich nach.
Piepmatz, Hase oder Uhu?
Das Klettergebiet Reibertsbergwände nahe des Örtchens Kleingesee zwischen Hiltpoltstein und Gößweinstein bietet für jeden etwas. Im „Kinderkessel“ im Sektor Hintere Reibertsbergwand finden die Kleinsten eine große Auswahl an gut abgesicherten, kurzen und sehr leichten Routen mit Namen wie „Piepmatz“, „Maus“, „Frosch“, „Schnecke“, „Hase“ und „Uhu“. Die Eltern powern sich im Sektor Linke Reibertsbergwand bei Lochklettereien im siebten und achten Grad aus.
Vom Auto am Waldrand sind es nur ein paar Gehminuten bis zu den Felsen. Die kurzen Zustiegswege von maximal 15 Minuten zu den meisten Gebieten in der Fränkischen Schweiz wissen die älteren wie die jüngsten Familienmitglieder zu schätzen. Auf den flachen Wegen ist sogar der Transport eines Buggys für den Mittagsschlaf problemlos möglich.
Hier herrscht im Gegensatz zu vielen alpinen Klettergebieten nirgends Absturzgefahr. Die Kinder können im Wald rumrennen, Lager aus Ästen bauen, Stöcke schnitzen, Löcher graben, Steine klopfen. Und für die Hängematte finden sich immer zwei passende Bäume.
„Die Fränkische Schweiz ist ein ideales Terrain für Familien“, weiß Herwig Sedlmayer. Er kam vor 55 Jahren als junger Alpinist regelmäßig zum Trainieren hierher und kennt fast jede Ecke. „Früher waren die meisten Routen nicht so gut abgesichert, aber inzwischen gibt es eine ganze Reihe sehr gut gesicherter Kinderfelsen, wo man die Kids mit gutem Gewissen vorsteigen lassen kann“, erzählt er und lässt Kilian am Seil ab.
170 Burgen und Ruinen
Der Nördliche Frankenjura zwischen Bamberg, Bayreuth, Nürnberg und Amberg gilt mit 12.000 Routen an 800 einzelnen Felsen als das bekannteste Klettergebiet Deutschlands und eines der am besten erschlossenen Gebiete Europas.
Kletterlegenden wie Kurt Albert (1954–2010), der Erfinder des Rotpunktkletterns, und Wolfgang Güllich (1960–1992), der die ersten Routen im elften Schwierigkeitsgrad eröffnete, waren Pioniere bei der Entwicklung des Klettersports in der Region.
Nördliche Frankenjura: 800 Ketter-felsen und 12.000 Routen
Die Entstehungsgeschichte der fränkischen Jurafelsen reicht 160 bis 140 Millionen Jahre zurück, als die Region vom „Ur-Mittelmeer“ Tethys bedeckt war. Die Felsen entstanden aus verfestigten Meeresablagerungen, Überresten von Schwammriffen, Muscheln und anderen Organismen – der löchrige Kalkstein ist charakteristisch für das Klettereldorado Fränkische Schweiz.
Neben erstklassiger Kletterei bietet die Gegend ein besonderes Landschaftserlebnis: Kurvige Sträßchen führen durch liebliche Flusstäler mit imposanten Felsformationen und düsteren Tropfsteinhöhlen, über grüne Albflächen und durch schmucke Dörfer mit Fachwerkhäusern und Burgruinen. Mit mehr als 170 Burgen, Ruinen und Burgställen zählt die Fränkische Schweiz zu den bedeutendsten Burgenlandschaften Mitteleuropas.
Drei-Generationen-Klettern
„Neben der wunderbaren Landschaft gibt es hier gute Wirtshäuser, günstige Unterkünfte, jede Menge Zeltplätze und nach dem Klettern kann man in einem der Freibäder wunderbar schwimmen gehen“, schwärmt Herwig Sedlmayer, während Kilian in die nächste Wand einsteigt.
Die Begeisterung für den Klettersport gab Herwig an seine Tochter Katrin Gründler weiter, die ihn schon als Jugendliche mit ihren Leistungen überholte. Mit zwölf Jahren durchstieg sie bei einem Kletterkurs in der „Fränkischen“ ihre erste Tour im achten Schwierigkeitsgrad. 2000 gewann sie als Studentin den Europameistertitel im Sportklettern. Nach ihrem Studium entschied sie sich, von München in ihr liebstes Klettergebiet nach Franken zu ziehen.
Die Zeiten des Wettkampfsports sind vorbei, aber die Lehrerin und Mutter zweier Kinder nutzt immer noch jede freie Minute zum Klettern. Ihre Söhne Kilian und Tobi waren schon als Babys mit von der Partie. Heute klettern sie alle gemeinsam. „Rund um die meisten Kletterfelsen ist alles so eben, da kann man sogar Zelte oder Kinderbetten aufstellen“, so Katrin. Inzwischen klettert auch der achtjährige Tobi schon Touren im achten Grad und hängt dem Opa Herwig die Touren ein.
„Die Kinder finden immer eine Beschäftigung, während die Eltern klettern. Tobi und Kilian waren viel im Wald unterwegs, haben Äste abgesägt und Laubhaufen aufgeschüttet. Im schlimmsten Fall eröffnen sie einen Steinbruch und sitzen hämmernd und buddelnd in irgendeinem Loch“, erzählt Katrin lachend.
Felsenhüpfen im Trubachtal
Von den Reibertsbergwänden ist es nur ein Katzensprung zu den Kletterfelsen zwischen Bärnfels, Obertrubach und Egloffstein. Beim Felsenhüpfen von Spot zu Spot können sich Familien im Oberen Trubachtal problemlos ein paar Tage lang austoben, ohne weite Distanzen zurückzulegen.
Im Oberen Trubachtal können sich Familien problemlos ein paar Tage lang austoben
Im verschlafenen Dorf Bärnfels steppt zwar nicht der Bär, dafür thront eine spätmittelalterliche Burgruine auf einem Sporn über dem Ort und es gibt gleich zwei kinderfreundliche Klettergebiete zu entdecken. Der zwölf Meter hohe „Wolfstein“ oberhalb des Dorfs in sonniger Lage zählt zu den schönsten Kinderfelsen im Frankenjura, traumhafte Aussicht inklusive.
„Am Wolfstein sind Tobi und Kilian schon im Alter von zwei Jahren rumgeklettert“, sagt Katrin. „Man findet dort sehr leichte Touren mit riesigen Griffen und Tritten. Am Wandfuß ist sehr viel Platz auf der Wiese, außerdem gibt es kleine Höhlen zum Durchkriechen“, ergänzt sie. Die leichten Routen tragen Namen, die sich jedes Kind merken kann: „Rübezahl“, „Frau Holle“, „Hänsel und Gretel“, „Max“ und „Moritz“.
Schda Schdum und Schäufele
Das Klettergebiet „Schda Schdum“ (fränkisch für „Steinstube“) versteckt sich im schattigen Buchenwald am Ortsrand von Bärnfels und steht für ein ganzes Gebiet aus Felsnadeln, Türmen und Wänden. In der Schda Schdum waren mit Routen namens „Asterix“, „Obelix“ und „Miraculix“ offenbar die Gallier am Werk. Von überhängenden Wänden für ambitionierte Kletterer bis zu gut abgesicherten, kurzen Touren für Kinder ist an den sechs bis zwanzig Meter hohen Felsen alles geboten.
Der Klettertag endet im Gasthof „Schlehenmühle“, fünf Kilometer nördlich von Egloffstein. Der zweijährige Nelion stürzt sich auf das hauseigene Bobbycar und flitzt zum Spielplatz, Tobi und Kilian gehen Fossilienklopfen am Äpfelbach. Die Erwachsenen bestellen Bier und fränkische Spezialitäten. „Schäufele“ (Schweineschulter) und ein „Seidla“ (helle Halbe) vervollständigen die Genusskletterei in der Fränkischen Schweiz und machen den Tag zum perfekten Gesamtpaket.
Tipps für Schlechtwettertage
- Erlanger Boulderhalle Frankenjura
Indoor-Klettern in der größten Boulderhalle der Welt. blockhelden.de
- Therme Obernsees
Planschen in derTherme Obernsees mit 90-Meter-Erlebnisrutsche und prämierter Saunalandschaft. therme-obernsees.de
- Teufelshöhle Pottenstein
Die 3.000 Meter lange Teufelshöhle mit beeindruckenden Stalagmiten und Höhlenbärenskelett ist die größte Höhle in der Fränkischen Schweiz. Begehbar sind 800 Meter. pottenstein.de