... zeigt sich Regensburg bei den Halloween-Führungen des Ensembles „Kleine Stadtmaus“. Dabei erwecken Schauspieler historische Figuren und Mythen spektakulär zum Leben. Wir sahen uns die kleine Horrorshow genauer an. Text und Fotos: Dietmar Denger
Halloween-Führung in Regensburg
Welch schauriger Fall, buchstäblich ein Cold Case: Eine Leiche, die wieder zu bluten anfängt! In einer pechschwarzen Nacht des Jahres 1630 ist der arme Caspar von Uffeln auf brutalste Weise massakriert worden. Vermutlich von Meister David dem Händler, bei dem er Schulden eintreiben wollte.
Gerade wurde der Verdächtige zum Toten geführt und plötzlich rinnt aus dessen Wunden das Blut. „Ich war es nicht, so glaubt mir doch“, fleht David am Boden kniend die Ermittler an. Doch die verblüffende Unregelmäßigkeit am Caspar-Körper lässt nur einen Schluss zu: Natürlich war es David! Sein Ende ist damit besiegelt. Und mit Delinquenten dieser Couleur ging man in jenen Zeiten bekanntermaßen nicht zimperlich um.
Altstadtkulisse: Fast perfekt für die Nacht der Untoten
Mit dem Schuldspruch endet diese Episode der Halloween-Führung. Auf dem kleinen Platz in einem Wohnviertel der Altstadt raschelt das Laub unter den Füßen. Darüber strecken sich kahle Baumgerippe dem Sternenhimmel entgegen. Parkten auf dem Kopfsteinpflaster keine Autos, wäre die Illusion der Zeitreise perfekt.
„Mit glühende Zangen wurde David malträtiert, dann folgte der Tod auf dem Rad“, erklärt Fräulein Abraxa Pugna Maxima Obstrusa. Die Dame mit dem schneeweißen Gesicht führt charmant und wortgewaltig durch diesen Abend des blanken Horrors und ist im Gegensatz zu den behandelten Personen eine Erfindung der „Stadtmaus“.
Das Schauspieler-Ensemble der Regensburger Eventagentur hat jede Menge Erlebnisführungen im Programm, folgt dabei mal den Spuren von Henkern, Nachtwächtern, Marktweibern und Poeten durch die Stadt. „Histotainment“ nennen sie das.
Die Wiederbelebung bluttriefender Mythen und schräger Figuren vor historischer Stadtkulisse zu Halloween gehört zu den spektakulärsten. „In den Nächten vor Allerheiligen ist das Tor zur Anderswelt weit offen. Die Wege von Tod und Leben berühren sich, es ist eine Zeit des Wandelns zwischen den Welten“, heißt es in der Ankündigung zur Tour.
Anna Püchelin: Hexe aus Überzeugung
Kaum hat man den letzten Schrecken verdaut, kündigt sich ein paar Ecken weiter lautstark das nächste Drama an. Die bleiche Frau, die in einer Gasse hockt, beschimpft und beweint ein imaginäres Nagetier, das sie in ihren Händen zu halten glaubt. Anna Püchelin, genannt das Mausmädchen, lebte Ende des 16. Jahrhundert in Regensburg und behauptete eines Tages, der Teufel in Mückengestalt sei in sie gefahren. Dann habe sie in Begleitung des Teufels mehrmals die Hölle besucht. Außerdem war sie fest davon überzeug, Mäuse und Wetter herbeihexen zu können.
Von einem Happy End kann man leider nicht reden
Das kam nicht gut an in einer Zeit, in der Auffälligkeiten dieser Art häufig auf dem Scheiterhaufen endeten. Doch die erst 21 Jahre alte Anna hatte einen Lebensretter. Kaspar Stemper war Anwalt am Reichskammergereicht und kam im letzten Regensburger Hexenprozess zu dem Schluss, dass die junge Frau wohl kaum den Teufel in sich trage, sondern lediglich nicht alle Tassen im Schrank habe.
Davon konnte er auch die Ratsherren überzeugen. Anna wurde für verrückt erklärt und durfte zumindest weiterleben – wenn auch bei Wasser und Brot und inhaftiert im Faulturm. Da das Leben in einem Faulturm, der nicht grundlos auch als Hungerturm bekannt war, kein Picknick darstellte, kann man leider nicht von einem Happy End reden.
Alter Schwede: Verrat im Schlosspark
Vollends entrückt folgt man den weiteren Stationen der Tour durch den nächtlichen und stillen Herzogspark. Dabei ist der Tod, auf einem riesigen Pferd reitend, ein ständiger Begleiter. Fackeln und Kerzen auf Mauern, an Wegen und Teichen beleuchten die Szenerie.
Die ideale Bühne etwa für den Geist „Das liebe Herrl“, der den Regensburgern 1371 erschien. Der machte sich nützlich und bewahrte eine keusche Jungfrau davor, sich mit dem Nächstbesten einzulassen, weil sein Spuk gleich jedermann in die Flucht schlägt.
Geschichte und Mythos verschwimmen auch beim Prebrunnturm, der bei der Führung für das Tor zur Zwischenwelt steht. Dort versucht Meister Portner, geheimer innerer Rat der Stadt, eine gewaltvolle Plünderung und unnötiges Blutvergießen zu vermeiden, indem er Regensburg 1633 an die Schweden verrät. Hilft alles nix, Regensburg wird kurz und klein geschossen und obendrein endet die krumme Tour des Gatten mit einem handfesten Ehedrama. Denn seine Frau verzweifelt am Verrat ihres Mannes.
Die Stadtmaus-Storys sind in historische Ereignisse eingebettet. Das macht die Tour umso spannender. In der Tat wurde Regensburg im November 1633 von schwedischen Truppen unter Bernhard von Sachsen-Weimar erstürmt und besetzt.
Die katholischen Pfaffen vertrieb man und im Dom wurden protestantische Gottesdienste gehalten. Nur ein paar Monate später drehte sich das Blatt. Kurz nach der Ermordung von Generalissimus Wallenstein gelang es den Kaiserlichen unter Führung von Erzherzog Ferdinand, Regensburg zurückzuerobern.
Ein Licht für die Toten
Am Tag der Einnahme durch die Schweden spielt das letzte Kapitel der Halloween-Tour. Groß ist der Jammer einer namenlosen Frau, deren Liebster – ein kaiserlicher Landsknecht – beim Kampf an der Prebrunner Bastei ums Leben gekommen war. Nun will sie dem Toten ein Licht bringen.
Ausgestattet mit Fackeln begleitet unsere Gruppe die Arme, vorbei an den Schatten der Gefallenen. Was dann folgt, ist Histotainment ganz nach Stadtmaus-Geschmack und wird natürlich nicht gespoilert. Sicher ist: Ein Spaziergang durchs nächtliche Regensburg fühlt sich nach dieser Tour herrlich gespenstisch an!
Informationen:
Die elf Halloweenführungen (Dauer 1,5 Stunden) finden am 30. und 31. Oktober jede halbe Stunde zwischen 17 - 22 Uhr statt. Tickets kosten 37 Euro. stadtmaus.de