Unser Reporter erkundete im Spätsommer drei der schönsten MTB-Touren rund um den Watzmann. Die Kulisse? Oben Schnee, unten buntes Laub, ganz unten der Königssee. Der Dress-Code? Zwiebellook. Das Motto? „Aufi muas i, aufi!“ Text und Fotos: Norbert Eisele-Hein
MTB-Touren rund um den Watzmann
Der 2.713 Meter hohe Watzmann ist zwar nur der zweithöchste Gipfel Deutschlands, aber er ist eindeutig der schönste. Der Berg der Berge. Über 1.800 Meter steigt seine Ostwand fast senkrecht vom Königssee in die Höhe. Die gewaltigste Abbruchkante der gesamten Ostalpen. Watzmannfrau und Watzmannkinder bilden die Nebengipfel. Wer das Massiv von Berchtesgaden aus betrachtet, dem bleibt die Spucke weg. Von wegen Familienidyll. Der Gipfelreigen sieht aus wie das aufgesperrte Maul des Weißen Hai.
Der Watzmann ruft
Bis zu 550.000 Gäste befördert die örtliche Schifffahrt jährlich über den Königssee. Die Passagiere erstarren beim Anblick der Ostwand und lauschen dem Echo des Flügelhorns. Kultstatus gewann der Alphazinken durch das Musical „Der Watzmann ruft“ des österreichischen Liedermachers Wolfgang Ambros.
Die Handlung der 1974 erstmals veröffentlichten Bergbauern-Parodie ist schnell erzählt: Der Berg wird zur menschenfressenden Bestie, die Männer müssen aus Imponiersucht „auffi“ und finden dabei nicht selten den Tod. Zudem verspricht die frivole Gailtalerin der Jugend sexuelle Beglückung – falls Sie lebend vom Gipfel zurückkehre. Alles gesprochen und gesungen im Dialekt, war das Stück ein Renner in den 1980ern.
In einem herbstlich-nebelwabernden Selbstversuch wagen wir uns an den Watzmann, den Schicksalsberg, um auf den Spuren von Bauer, Sohn, Großknecht und Gailtalerin auf drei Touren ein traumhaft schönes Mikro-Abenteuer zu erleben.
Gotzenalm: Almen, Seeblicke und ein paar steile Kehren
Die Rampe hoch zur Gotzenalm gilt als Klassiker. Dabei hat es die Tour durchaus in sich. Vom „Kreisel“ am Bahnhof Berchtesgaden aus geht es nur kurz auf der Straße Richtung Königssee. Doch schon bald tauchen wir heftig kurbelnd in den herbstlich bunten Wald am Faselsberg ein. Noch hängt Nebel zwischen den Baumwipfeln. Nur gelegentlich lässt er Sonnenstrahlen auf dem Trail irrlichtern.
Mancher Biker ist hart am Anschlag und spricht von der „Kotzenalm“
Nahe dem Hinteren Brandkopf erreichen wir den Parkplatz Hinterbrand, bevor es weiter durch den Wald und kurz darauf unter der neuen Jennerbahn hindurchgeht. Die Strecke fordert allmählich mehr und mehr Druck aufs Pedal. Die ersten Ausblicke auf den Königssee spornen uns an. Vorbei am Strubkopf ist die Königsbachalm zwischen Almweiden und kleiner Waldresten erreicht – ein guter Platz für eine erste Rast!
Nun bergauf Richtung Büchsenkopf. Die Waden zwacken schon, doch jetzt geht die Tour erst richtig los. Vor allem ab der Gotzentalalm! Auf den letzten 600 Höhenmetern kommt die Steigung immer wieder nah an die 25-Prozent-Marke. In den Kehren ist hier manch Biker hart am Anschlag und spricht von der „Kotzenalm“ …, zumindest bis er das weite Plateau erreicht. Welch ein Blick eröffnet sich hier: Ostwand, Königssee, Steinernes Meer, Teufelshörner!
Erst Wadenzwack, dann Gulasch
Oben auf 1.685 Meter Höhe grinst einen der Klecker Rudi, der Hüttenwirt der Gotzenalm, an. Er bewirtschaftet die Alm seit 2006. Und er kocht richtig gut auf. Das Sahnegeschnetzelte! Und das Gulasch! Butterzart! Eine Portion Kaiserschmarrn, locker und luftig, mit feinem Puderzucker. Das optische Sahnehäubchen dazu liefert ein Sonnenuntergangsspektakel mit Watzmann-Ostwand, Steinernem Meer, Hohem Göll.
Müde Muskeln sorgen für besten Almhüttenschlaf. Doch schon frühmorgens hüpfen wir mit Gänsehaut geschwind in alle verfügbaren Klamotten.
Noch in der Dämmerung biken wir zurück Richtung Feuerpalven, deponieren die Räder am Wegkreuz und marschieren die letzten paar Hundert Meter zur Aussichtskanzel.
Nebel-Schaumbad
An der Aussichtskanzel zunächst Enttäuschung: Wir blicken auf dichten Nebel. Unter uns wirkt der Königssee wie ein Schaumbad. Die furchterregende Ostwand des Watzmann wächst direkt aus dem Gebrodel empor. Doch kurze Zeit später beginnt die aufgehende Sonne den Nebel aufzulösen, ihre Strahlen lassen die eindrucksvolle Wand erröten. Und tief unter uns schälen sich die markanten roten Zwiebeltürme von Sankt Bartholomä allmählich aus dem Schaum, während die ersten Boote über den See schippern.
Die Rückfahrt ist nichts als ein beschwingtes Abwärts. Auf bekannten Wegen, aber mit so viel weniger Anstrengung geht es zurück nach Berchtesgaden.
Vom Hintersee zur Litzlalm
Wir starten am Südende des Hintersees in der malerischen Ramsau. Von der Nationalpark-Informationsstelle aus steigt die Route durch das Klausbachtal, vorbei an der jetzt im Herbst noch verlassenen Wildfütterung und am Steinadler-Beobachtungspunkt, zunächst nur gemächlich an. Imposant schrauben sich der Hochkalter und die Hocheisspitze in den Himmel. Rechts dominieren die Mühlsturzhörner.
Die Alpen heben sich jährlich um rund drei Millimeter
Die Alpen heben sich jährlich um rund drei Millimeter. Dadurch lösten sich im September 1999 gut 250.000 Kubikmeter Fels von der Gipfelflanke des Kleinen Mühlsturzhorns. Wochenlang war die ganze Gegend eingestaubt, erfahren wir von der Infotafel. Wer an der ersten kleinen Steigung abzweigt und die Stahlhängebrücke (nur für Fußgänger!) überquert, sieht noch heute die eindrucksvolle Abrissfläche.
Die Tour folgt weiter der Hirschbichlstraße, sie bleibt technisch einfach, die Untergründe gut machbar. Nur ein kurzes Steilstück mit Kehre, der Mitterberg, lässt uns in den Hochfrequenzmodus schalten, und das im kleinsten Gang.
Auf der nahen Bindalm stehen vier Almhütten. Zwei laden während der Almsaison mit selbst gemachten Köstlichkeiten zu einem ersten Zwischenstopp mit prächtigem Rückblick auf die Reiteralm ein. Dabei ist mit dem „Alpengasthof Hirschbichl“ an der historischen Zollstation schon das nächste Highlight fast in Sicht. Doch wir bleiben hart und passieren den Gasthof und den Pass, über den jahrhundertlang die Salzsäumer ihrem anstrengenden grenzüberschreitenden Geschäft nachgingen.
Bergdoktor-Kulisse
200 Höhenmeter noch, die in einer weiten Kehre ausgefahren werden, und unser Ziel, die Litzlalm auf 1320 Meter, ist erreicht. Innen und außen urgemütlich, wirkt sie wie aus dem Alpinmuseum. Von der Terrasse aus bietet sich ein umwerfendes Panorama. Kein Wunder, dass sich Werbe- und Heimatfilmer dort die Klinke in die Hand geben.
Auch ein paar Folgen der berühmten „Bergdoktor“-Serie wurden auf der Alm gedreht. Flankiert von Zirbenholz, Hirsch- und Gamsgeweihen schmeckt die Brotzeit, die hier – wir sind schließlich in Österreich – „Jaus’n“ heißt, besonders gut. Am Ende cruisen wir, schon wieder durch zähen Nebel, auf dem Hinweg gemütlich zurück zum Hintersee.
Kührointalm und Achenkanzel
Auch der Start vom Parkplatz Hammerstiel aus hoch in Richtung Watzmann wird begleitet von dichtem Morgennebel. Die erste Frostnacht hat gleich eine kräftige Portion Schnee ausgestreut. Der technisch einfache, aber teilweise auch grimmig steile Forstweg führt in weiten Kehren vorbei an den Kasern der Schapbachalm. Wäre noch Sommer und das Vieh auf der Alm, könnte man sich hier ein Stück Almkäse gönnen, aber der Almabtrieb ist längst vorbei und uns zieht es weiter hinauf in Richtung Watzmannfrau.
Nur gut, dass die Temperaturen noch mal auf sommerliche Grade ansteigen. Noch zwei weit ausholende Kehren und die Kührointalm, quasi das Ende der „Sackgasse“, taucht zwischen dem schütteren Baumbewuchs auf. Mit dem Biken ist jetzt Schluss. Die Aussicht hinauf zum Watzmann-Massiv ist atemberaubend. Die Kapelle der Alm fügt sich ins Idyll ein, sie ist der Erinnerung aller Opfer der Berchtesgadener Berge geweiht.
Ein kurzer Fußmarsch zur Archenkanzel – gleichsam das „westliche Pendant“ zum Feuerpalfen von der ersten Tour – ist für uns Pflicht. Dort eröffnet sich ein letztes Mal der atemberaubende Blick fast senkrecht hinunter auf den Königssee, auf die bunt gefärbten Wälder und die Wallfahrtskirche Sankt Bartholomä.
Souvenirs: Schneematsch und Sand
Wir kehren auf demselben Weg zurück, allerdings gezeichnet von unübersehbaren Spuren von Schneematsch, Kies und Sand. Dennoch: Die Entscheidung für den Herbst war ein Glücksgriff, auch wenn eine Extraschicht Klamotten unverzichtbar war und die Kurzzeitnebel manchmal die Sicht beeinträchtigten.
Der Watzmann hat uns also davonkommen lassen. In der originalen Bühnenversion überlebt nur der tumbe Knecht. Er war zu faul, dem Ruf des Bergs zu folgen. In der Verfilmung wird das Musical sogar noch grotesker: Der Vater kehrt lebend vom Berg zurück und heiratet die Gailtalerin. Mit den Krediten einer Bank verwandeln sie den Bauernhof in ein Skigebiet.
Info MTB-Touren rund um den Watzmann
Tour I: Gotzenalm/Feuerpalfen
35,9 Kilometer, 1.666 Höhenmeter, technisch mittel, konditionell schwer.
Von der früheren Tourist-Info beim Bahnhof Berchtesgaden über Faselsberg nach Hinterbrand. Weiter auf der Bikeroute 9 über Königsbach-, Büchsen- und Gotzentalalm steil hinauf zur Gotzenalm. Abstecher zum Feuerpalfen. Übernachtungs-Möglichkeit auf der Hütte. Zurück auf derselben Route.
Mehr Infos berchtesgaden.de.
Tour II: Litzlalm
18,3 Kilometer, 525 Höhenmeter, technisch und konditionell einfach.
Vom Parkplatz am Hintersee durchs Klausbachtal der Beschilderung folgen. Die Strecke führt beim Hirschbichl kurz über die Landesgrenze nach Österreich. Die Litzlalm liegt auf einem Hochplateau mit Rundumblick. Stirnlampe mitnehmen, falls es später wird. Abfahrt auf derselben Route.
Mehr Infos unter berchtesgaden.de.
Tour III: Kührointalm
24,5 Kilometer, 900 Höhenmeter, technisch einfach, konditionell mittel. Von der früheren Tourist-Info beim Bahnhof Berchtesgaden der Beschilderung (über Oberschönau) folgen. Ab Hinterschönau auf einer Forststraße steil bergan zur Schapbachalm. Weiter auf der Forststraße. Die endet direkt vor der Kapelle bei der Kührointalm. Kleiner Fußmarsch zur Achenkanzel für den Ausblick auf Königssee und Sankt Bartholomä. Abfahrt zurück auf derselben Route.
Mehr Infos unter berchtesgaden.de
Video: Wandern und Mountainbiken auf der Alp
Alpwirt Armin Kling gibt euch Tipps und Verhaltensregeln für das sichere Wandern und Mountainbiken in den Alpen.