Alexander Herrmann und Tobias Bätz holen sich seit 2019 mit raffinierter fränkischer Küche zwei Michelin-Sterne für ihr „Alexander Herrmann by Tobias Bätz“. Angelika Jakob blickte den Spitzenköchen und ihrem Team über die Schulter
Die Macher des Sterne-Restaurants „Alexander Herrmann by Tobias Bätz"
Die kulinarische Show beginnt um 18 Uhr. Etwas, das aussieht wie ein Stück Steinkohle, wird serviert. Daneben ein Pilz. Im Zwei-Sterne-Restaurant „Alexander Herrmann by Tobias Bätz“ landen auch mal Überraschungen auf dem Tisch.
Der Gruß aus der Küche zum Beispiel, also die „Kohle“, ist in Wirklichkeit Paté aus fränkischem Schiefertrüffel mit einer Füllung aus Chutney von schwarzer Johannisbeere.
Der Pilz entpuppt sich als warmes Butterbrioche. Den Gästen, die nicht wissen können, woher der unfassbar waldige Geschmack des samtigen, schwarzen Gebildes kommt, wird die Geschichte von Bernd, der Legende, erzählt. Vom Rentner, der eines Tages vor der Tür stand mit Pilzen, die sonst niemand kannte: Schiefertrüffel. Und die alsbald zum Markenzeichen der Menüs wurden.
Höchste Konzentration
„Sommertrüffel oder schwarze Trüffel gibt es überall“, weiß Küchenchef und Sternekoch Tobias Bätz, „Wer einen Platz in der Spitzengastronomie erobern will, muss sich etwas einfallen lassen. Das Glück, eine wenig bekannte Spezialität wie diesen erstaunlichen Pilz zubereiten zu können, kommt nicht so oft vorbei. Also suchen wir bei bekannten Lebensmitteln nach der besten Qualität und geben ihnen einen besonderen Dreh.“
In der chromblitzenden Küche wuselt ein gutes Dutzend Köche herum, es herrscht höchste Konzentration. Eine Köchin hobelt dehydriertes Eigelb, ein anderer aromatisiert Karotten in brennendem Heu. Oben an der Wand steht das Motto: „We Reach for the Stars“.
Auftritt Alexander Herrmann. In echt sieht er genauso aus wie im Fernsehen bei einer seiner Kochshows, mit schwarzer Kochjacke, akkuratem Silberhaar und charmant schiefem Lächeln.
„Eine Prise Wahnsinn“, - so der Untertitel seiner Show auf Bayern eins - braucht er wohl, um seine vielfältigen Unternehmungen zu stemmen: Zwei Gaststätten in Nürnberg, die beiden Restaurants und das Hotel in Wirsberg, einen Palazzo, Bücher und Auftritte in den Medien. Der Mann ist also vergeben, sonst könnte man ihn als Chefarzt besetzen oder Moderator der Tagesthemen.
Das beste Team der Branche
Wahnsinn allein reichte nicht aus, um auf einem so hoch gespannten Seil zu tanzen: Er braucht ein großartiges Team und Tobias Bätz, seinen ebenfalls mit zwei Sternen ausgezeichneten Küchenchef im Wirsberger Sternelokal.
„Wir sind Branchengewinner für das beste Team“, erklärt der bescheiden und gut gelaunt wirkende Tobias Bätz. „Gemeinsam haben wir es geschafft, als eins von 40 Zwei-Sterne Restaurants in ganz Deutschland ausgezeichnet zu werden.“
Wunder in der Poststation
Zum Glück für die Feinschmecker-Gemeinde ist Alexander Herrmann weder Jedi-Ritter noch Schlagerstar geworden, wie er es sich als Kind gewünscht hat. Dazu hat er im Restaurant seiner Eltern zu viel Küchenduft geschnuppert. Die Geschichte der Familie reicht zurück bis 1869. Damals legten die Vorfahren den Grundstein für die ehemalige Poststation von Wirsberg. Wo früher Pferde gewechselt wurden, konnte man auch essen, trinken und schlafen.
Heute reisen Feinschmecker und Fans der verschiedenen Kochsendungen mit Alexander Herrmann hierher. Sie erwarten Wunder und bekommen sie auch. Wie den gebeizten Huchen, einen seltenen bayrischen Fisch, mit Sauerkraut von der grünen Papaya und Calamondin, einer Zitruspflanze aus Asien.
Tropenfrüchte aus der Oberpfalz
„Vom Kardamon habe ich auch das Grün mitgenommen“
Foodscout Joschi Osswald findet solche Lebensmittel. Der Riese mit den bunt tätowierten Armen kommt gerade mit einer Zedrat-Zitrone und Stängeln der Kardamonpflanze aus dem nahegelegenen Tropenhaus, einem ökologischen Versuchsprojekt: Mit der Abwärme einer Glasfabrik werden 2.500 Quadratmeter Gewächshaus geheizt, in Regenwasserbecken schwimmen tropische Fische.
„Ich war gerade mit dem wissenschaftlichen Leiter unterwegs, wir haben ein paar Gewürze geerntet, vom Kardamon habe ich auch das Grün mitgenommen.“ Er zerdrückt ein Blatt, es duftet frisch und würzig nach Kardamon, aber mit anderen, zitronigen Noten.
Joschi verschwindet damit in seinem Reich, dem Fermentierlabor. Fässer mit unterschiedlich aromatisierter Sojasosse stehen da, auf Schwerlastregalen drängen sich Einmachgläser. Rote Surinamkirschen, weiße Artischockenböden, schwarzer Knoblauch, gelbe Salzzitronen, grüne Galgantknospen. Das ist Genuss in allen Farben des Regenbogens.
Rhythmus, Effekte und Humor
Herrmann und Bätz erkennen die Stärken ihrer Mitarbeiter, so formt sich aus einzelnen Talenten ein exzellentes Team. „Ich beurteile Menschen nicht nach ihren Aussetzern, das führt nur zu mehr Fehlern“, sagt Herrmann, „jede und jeder hier kann irgendetwas besonders gut, das fördern wir.
Joschi war anfangs einer unserer Köche, dann kam seine Liebe zu den Lebensmitteln zum Vorschein. Inzwischen hat er für uns ein Netzwerk von 70 Produzenten aufgebaut, kleine Bauern, Gärtner, Hausfrauen, die alle etwas Tolles zu unseren Menüs beitragen.“
„Was können wir besorgen und wie viel davon?“ „Nehmen wir die Triebe vom wilden Brokkoli nur zur Dekoration oder als Beilage?“ „Fett und starke Gewürze schieben wir an das Ende eines Abends, das Essen muss mal laut und mal leise daher kommen, knackig und sanft, bitter und frisch“…
Wenn die drei leidenschaftlichen Köche in dem winzigen Büro hinter der Küche beraten, geht es um Rhythmus, um Effekte und Humor. Die Gäste wollen gekitzelt werden, bis nach vier Stunden und 12 Gerichten das große Genusstheater zu Ende geht. „Wir haben keine Angst, mal albern zu sein“, so Herrmann, „Wer unsere weiche Aussprache kennt, weiß, was wir Franken aus einem „t“ machen. Also formen wir die Butter neben unserem Brotkorb zu einem dicken, sitzenden Buddha.“