Kapelle Frau
Kraft tanken

Der Sieben-Kapellen-Weg zieht eine 153 Kilometer lange Runde durch das Schwäbische Donautal. Er bringt Radfahrer zu sieben modernen Wegkapellen, die spektakuläre Architektur-Landmarken und zugleich spirituelle Orte sind

Lesezeit: 15 Minuten

Radfahren auf dem 7-Kapellen-Weg

Ein Morgen im September. Nebel liegt über dem Land. Noch. Es soll sonnig werden. Leise surren die Motoren der E-Bikes. In der flachen, offenen Landschaft des Donaumooses unterstützen sie die Radfahrer auf ihrem Weg südwärts nach Offingen. Büsche und Bäume huschen vorbei. Aus dem Grün taucht ein kleiner römischer Tempel auf. 

Zumindest sieht es so aus: Zwölf runde Säulen aus Lärchenholz, die auf einem kreuzförmigen Grundriss angeordnet sind, tragen ein flaches Holzdach. Rund fünf Meter ist die Konstruktion hoch. Im Inneren befindet sich eine große Glasscheibe, in die ein Kreuz eingraviert ist. Der „Tempel“ ist tatsächlich eine Kapelle.

Die Kapelle hat drei raumhohe Glaswände. Darauf liest man Sinnsprüche wie „Alles, was gegen die Natur ist, hat keinen Bestand“ von Charles Darwin. Oder: „Auf drei Dinge ist der Bestand der Welt gegründet. Auf Wahrheit, auf Recht und auf Frieden“ – ein Zitat aus dem Talmud. Und die indianische Weisheit „Wir müssen von Zeit zu Zeit eine Rast einlegen und warten, bis unsere Seelen uns wieder eingeholt haben.“

Das tun wir auch sehr gern und genießen das idyllische Fleckchen, die Natur und Stille ringsum, so lange, bis unsere Seelen eingetroffen sind …

Fahrradfahren Dronenaufnahme

Architekturkunst aus Holz

Zu insgesamt sieben kleinen Sakralbauten leitet der Sieben-Kapellen-Radweg, auf dem wir unterwegs sind. Sechs davon werden wir uns ansehen. Exakt 153 Kilometer weit führt die Route – meist verkehrsarm, auf Asphalt oder Waldwegen und markiert mit einer weißen Sieben auf dunkelrotem Quadrat – durch das Dillinger Land. 

Am besten radelt man gegen den Uhrzeigersinn. Dann geht’s zunächst meist flach im Tal dahin, bevor die hügeligen Ausläufer des Schwäbischen Jura durchquert werden.

Jede der Kapellen ist, trotz oder gerade wegen ihrer modernen Schlichtheit, ein architektonisches Kunstwerk. Und jede der Kapellen wurde von einem anderen Architekten entworfen. Errichtet wurden sie von der Stiftung des Wertinger Holzunternehmers Siegfried Denzel und seiner Frau Elfriede, geplant hat sie der damalige Heimatpfleger Peter Fassl.

Kapelle innen
Kapelle Waldrand

Rasten und Besinnen

„Mit den Kapellen wollen wir an die Tradition christlicher Landmarken wie Kreuze, Marterl oder Mariensäulen anknüpfen, die früher der Orientierung auf dem Land gedient haben“, so der promovierte Historiker und Architekturexperte Fassl. „Die Kapellen sollen auch im Sinne der Land-Art-Bewegung neue Blicke auf die Landschaften öffnen – und die Menschen zur Rast und zur Besinnung einladen.“

Einzige Vorgabe an die Architekten war: Die Wegkapellen, die an keine Konfession gebunden sind, müssen aus Holz bestehen und ein Kreuz enthalten, außen oder innen. Und sie müssen naturnah an einem exponierten Ort stehen. Errichtet wurden die Kapellen zwischen 2018 und 2020.

Fahrradfahrer Pause

Herzhaftes Gundelfingen

Heute Morgen sind wir in Gundelfingen gestartet. Wir, das sind die beiden Reporter sowie unsere radbegeisterten jungen Begleiter Steffi (stets fröhlich und mit herzlichem Lachen) und Martin (ruhig und ortskundig). Beide sind in Wertingen zu Hause.

Am Abend zuvor haben wir uns im „Gasthof Delle“ für die Tour gestärkt. Familie Delle hat eine eigene Metzgerei und züchtet Aberdeen-Angus-Rinder, die sich das Gras im Donaumoos schmecken lassen. Viele Preisurkunden an den Wänden zeugen von den Zuchterfolgen und der hohen Fleischqualität. Das Filetsteak an Cognacsoße war dann auch wirklich super zart und zerging fast auf der Zunge!

Nach dem ersten Kapellen-Stopp bei Gundelfingen führt die Fahrt über Peterswörth, durch schattigen Auen-Laubwald, vorbei an Altwasserarmen und überquert dann bei Offingen die Donau. Nach dem vielen Regen ist der Fluss randvoll, das Wasser braun. Die Route biegt nun scharf nach Nordosten ab, und wir passieren bei ziemlich stürmischem Gegenwind das Kernkraftwerk Gundremmingen und seine mächtigen, schon lange dampflosen Kühltürme.

Kapelle Außenansicht
Kapelle Innenansicht

Süßes Wertingen

In Aislingen zweigt die Route nach Osten ab, weg von der Donau. Nach einem kurzen Anstieg geht der Blick weit über das Flusstal. Sonne und Wolken wechseln sich in raschem Rhythmus ab. Über den abgeernteten braunen Feldern tanzt eine Schwalbe im Wind. Über unseren Köpfen dreht sich zischend ein Windrad.

Östlich des Dorfes und gleichnamigen Flüsschens Glött dominiert sattes Grün. Wiesengründe, gesäumt von dunklen Wäldern, begleiten einen Bachlauf. Wir folgen einer Forststraße und durchqueren einen lichten Mischwald, den Weisinger Forst im Naturpark Augsburg Westliche Wälder. Zwei Rehe schrecken auf, verschwinden blitzschnell zwischen den Bäumen.

Strampelnd erreichen wir das Zusamtal und zehn Kilometer später das Tal der Laugna. Auf einer Lichtung vor hohen Fichten strebt dort die Kapelle Emersacker gen Firmament.

Ihre Form – mit einem Vordach und einem zwölf Meter hohen, turmartigen Korpus, der an eine Orgel mit schmalem, sehr hoch geratenem Gehäuse denken lässt. Das fensterlose, bis auf ein Metallkreuz kahle Innere ist eine Gegenwelt zur Natur draußen. Der Raum wird erfüllt von geradezu „himmlischem“ Licht, das durch ein Oberlicht aus blauem Glas einfällt. Ein Ort der Stille und Meditation.

Wieder zurück im Zusamtal und nach Fahrt in nördlicher Richtung ist Wertingen erreicht – Zeit für eine süße Pause am hübschen Marktplatz. „Das beste Eis hier gibt’s im ‚Café Casal‘“, empfiehlt Martin.

Holzkathedrale und betende Hände

Wenige Kilometer weiter in Richtung Westen erreichen wir bei Oberthürheim eine ganz besondere Wegkapelle. An der Hangleite des Donautals, ein wenig oberhalb des Talbodens und hinterfangen von Kastanienbäumen, ragt sie – schmal, mit extrem steilem Dach und Vorbau am Eingang – wie eine gotische Kathedrale im Bonsai-Format auf. Nur Türme hat sie keine. Den Innenraum beleuchten unzählige kleine, quadratische, blaue Gläser und ein goldgelbes Kreuz.

Sitzbänke, die ein Chorgestühl imitieren, laden ein zu Rast und Besinnung. Vor der Kapelle sitzt man auf einer Bank und genießt den Blick hinaus aufs Donauried. Jetzt im milden Abendlicht ist die ruhige, weite, offene Landschaft mit ihren Feldern, Wiesen und Bäumen besonders schön. Hier möchte man ewig bleiben …

Wie ein Paar zum Gebet gefaltete Hände strebt weiter nördlich die Wegkapelle „Bei den Schwaigen“ in den blauen Himmel. Ihre Form erinnert an ein steiles Zeltdach, an der höchsten Stelle ist es zwölf Meter hoch.

Die Kapelle steht am Rand eines Walds mit Eschen, Eichen und Ahorn. Ein Bachlauf, eine Wiese und die Abgeschiedenheit machen den Ort zu einem kleinen Arkadien. Durch eine Öffnung an der „Zeltdachspitze“, in die ein Kreuz gespannt ist, dringt Licht ins Innere. Es scheint an den durch Einkerbungen strukturierten Wänden sanft hinabzufließen.

Burgenromantik in Schwenningen

Weiter geht es in Richtung Schwenningen. Nie waren die Elektromotoren so wertvoll wie bei diesem heftigen Gegenwind. Mit Wucht bläst er durchs Donauried. Die Bäume biegen sich, und das Gras glitzert silbern, wenn die Böen darüber hinwegfegen. In der Naturkneippanlage bei Gremheim, einem Bach mit grünen Ufern, hölzernem Geländer und klarem Wasser, wartet Erfrischung für die müden Beine.

„Na, hat euch das Schlossgespenst in der Nacht in Ruhe gelassen?“, lacht Gastgeberin Brigitte, als sie am nächsten Tag im „Schlosshotel Kalteneck“ Rührei mit Speck zum Frühstück serviert. Nein, nichts bemerkt, zu tief war wohl der Schlaf …

Das Schloss mit uralter Geschichte hat seine Renaissance-Gestalt um 1570 erhalten. Ein Wassergraben, den eine Quelle mit klarem Wasser speist, umgibt den stolzen Bau. Drei hungrige Ziegen sorgen dafür, dass die Ufer nicht zuwachsen. Die Zimmer sind geräumig und modern eingerichtet. Brigittes Familie ist seit 1890 in dem Schloss zu Hause.

Der Rundweg verlässt das Donautal und zieht nach Norden in die Ausläufer des Schwäbischen Jura. Dort hat die Kapelle Kesselostheim an einem Hang über dem Kesseltal ihr Plätzchen gefunden. Man blickt auf eine grüne Hügellandschaft mit Dörfern, Wiesen, Feldern und Wäldern.

Fahrradfahrer Naturweg
Kapelle Außenansicht

Filigraner Lamellenturm

Die Kapelle erhebt sich turmartig zwischen zwei alten Linden auf einer quadratischen Grundfläche von vier Metern. Vier kreuzförmig angeordnete, 14 Meter hoch aufragende Holzbalken tragen quadratisch eingebaute Lamellen, durch die der Wind pfeift. An der Spitze werden sie durch ein Kreuz verbunden, über das sich vom Innern der Blick in den offenen Himmel richtet. Eine Sitzbank neben dem Turm lädt ein zum Rasten, Schauen und Innehalten.

Nach einigen weiteren Auffahrten und flotten Downhills sowie den Orts- durchfahrten durch Oberliezheim und Unterliezheim mit seiner Wallfahrtskirche St. Leonhard, dem Kloster und dem „Klosterbräu“ samt Gaststätte (bei unserem Besuch wegen Betriebsurlaub leider geschlossen) ist die letzte Wegkapelle unserer Erkundungstour erreicht.

Radfahrer sitzen in der Kapelle Oberthuerheim

Robuste Blockhütte

Wie eine schmale, lang gestreckte Blockhütte lugt die Wegkapelle Oberthürheim auf einer Anhöhe aus dem Wald, ja scheint aus ihm herauszuwachsen. Errichtet ist sie aus mächtigen, über zehn Meter langen Douglasienstämmen, wie gestapeltes Holz liegen sie aufeinander.

Raffiniert wirkt die Lichtstimmung im Innern, sie wird erzeugt durch das Zusammenspiel des Oberlichts, das durch einen langen, schmalen Spalt an der Decke in den Kapellenraum eindringt, eines goldenen Kreuzes an der Schmalseite und eines großen, offenen Fensters an der Längsseite, das den Blick in die Landschaft und auf Unterliezheim freigibt.

Der Raum ist bis auf eine lange Sitzbank kahl. Gerade die Schlichtheit und die Verbundenheit mit der sie umgebenden Natur machen diese Wegkapelle so beeindruckend.

Das empfindet auch Steffi so. „Ja, die Kapelle gefällt mir sehr, weil sie so schön am Waldrand liegt und man einen hübschen Ausblick ins Grüne und auf das Dorf hat.“

Und Martin? „Mein Favorit ist auch die Wegkapelle Oberthürheim, wegen der tollen Aussicht ins Donauried und weil mich ihre Ähnlichkeit mit einer Kathedrale fasziniert.“

Aber eigentlich, betonen beide, bevor wir zurück nach Gundelfingen radeln, seien alle Wegkapellen schön, jede auf ihre eigene Art. Und natürlich jede einen Besuch wert. Ob mit oder ohne eingebauten Rückenwind.

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