Ansbacher Synagoge - Thora-Rolle, Gebetbuch und siebenarmiger Leuchter
Shalom, Bayern!

Jüdisches Leben gibt es in Deutschland seit 1.700 Jahren. Acht Begegnungen mit jüdischem Kulturerbe in Bayern: Synagogen, Ausstellungen, Friedhöfe und Museen

Lesezeit: 14 Minuten

8 Begegnungen mit jüdischer Kultur in Bayern 

Jüdisches Leben gibt es in Deutschland seit 1.700 Jahren. Die ersten Spuren jüdischen Lebens in Bayern finden sich in Regensburg. Sie reichen ins 6. Jahrhundert zurück.

Mit Handelsschiffen aus der Levante waren die ersten jüdischen Kaufleute auf der Donau in bayerische Gefilde gereist, an Bord Wein und Salz. Nach den grausamen Vertreibungen im 15. Jahrhundert unter dem Vorwurf von Hostienfrevel, Brunnenvergiftun und Ritualmord finden sich jüdische Gemeinden in Bayern erst wieder ab Ende des 17. Jahrhunderts. Sie prägen vor allem Franken in vielfältiger Weise.

Der Rabbiner Meir Ben Baruch etwa studierte in Würzburg und Paris und gründete 1236 in Rothenburg ob der Tauber eine religiöse Schule, die erste sogenannte Jeschiwa in Bayern. Dort lernten Schüler aus ganz Europa den Talmud und das Rechtssystem Halacha.

Ansbacher Synagoge - Innenraum

Barockes Juwel: Synagoge Ansbach 

Hinter einer fast unscheinbaren Fassade verbirgt sich ein hochkarätiges Baudenkmal: eine barocke Synagoge. Das 1746 vollendete Kleinod hat die Jahre der Nazi-Herrschaft unbeschadet überstanden.

Da es heute keine jüdische Gemeinde mehr in Ansbach gibt, fungiert der Bau als musealer Raum und kann besichtigt werden. Im benachbarten einstigen Dienerhaus informiert eine Ausstellung über die Geschichte der Gemeinde und das Judentum allgemein. Der Stadtrundgang „Hoffaktoren, Handelsleute und Hausierer“ führt zu weiteren Spuren des einst reichen jüdischen Lebens in Ansbach.

Auch wurden in der Stadt bisher 91 Stolpersteine zum Gedenken an jüdische Bürger verlegt. Eine interaktive Karte zeigt die Standorte, man kann die jeweiligen Biografien abrufen. 

synagoge-ansbach.de

So klingt Lachoudisch: Colmberger Familiengeschichten

„Was schuckt die Bore“ – Was kostet die Kuh? Mit der „Geheimsprache“ Lachoudisch verständigten sich jüdische Viehhändler. Sie ist eine Mischung aus Hebräisch, Jiddisch und fränkischem Dialekt. Hörproben davon gibt’s im Dokumentationszentrum „Familiengeschichten – Jüdisches Leben in Colmberg“. Die kleine Ausstellung erinnert anhand vieler Einzelschicksale an das fast 300 Jahre lange Zusammenleben von Juden und Christen in dem Dorf, wo es kein Ghetto gab.

Die erste Familie ließ sich 1686 mit einem Schutzbrief des Ansbacher Markgrafen nieder. Die Gemeinde wuchs im Lauf der Zeit bis auf 80 Familien an. (Zu ihnen gehörten auch die Vorfahren des Rockstars Billy Joel. Sein Großvater Karl Joel gründete in Nürnberg einen Versandhandel, den er 1938 zu einem Spottpreis an Josef Neckermann verkaufen musste.) Der Eintritt ist frei, Führungen können bei der Gemeinde Colmberg gebucht werden. 

Colmberg liegt circa 15 Kilometer von Ansbach entfernt 

colmberg.de

Schätze vom Dachboden: Veitshöchheim

Die Dichte an jüdischen Zeugnissen ist im Fränkischen Weinland besonders groß. Eindrücke vom dörflichen Leben im 18. und 19. Jahrhundert beispielsweise vermittelt das Jüdische Kulturmuseum Veitshöchheim. Es ist eingerichtet in einer barocken Synagoge von 1730 und einem Wohnhaus von 1738, beide umfangreich restauriert.

Unter dem Titel „Schauplatz Dorf“ thematisiert die Ausstellung die Lebenswirklichkeit der Juden im Dorf und in der Region. Die gezeigten Objekte stammen aus der „Genisa“, einer Ablage im Synagogen-Dachboden. Dort wurden unbrauchbar gewordene Thora-Rollen, liturgische Schriften, aber auch weltliche Texte wie Geschichtsbücher, Briefe oder Rechnungen aufgehoben.

Die Texte sind in hebräischer, jiddischer oder deutscher Sprache verfasst. Die Dokumente geben facettenreiche Einblicke in den jüdischen Alltag vergangener Tage. 

veitshoechheim.de

Jüdisches Museum Franken

Laubhütten, Ritualbäder, Gräber: Jüdisches Museum Franken 

Die Vielfalt fränkisch-jüdischen Lebens wird an den drei Museumsstandorten in Fürth, Schnaittach und Schwabach deutlich. Alle Ausstellungen sind in Gebäuden aus dem 16. bis 18. Jahrhundert untergebracht.

Sie zeigen Sammlungen von Judaika und Alltagsgegenständen. Dazu besitzen sie begehbare Laubhütten und Ritualbäder, die bis heute erhalten geblieben sind. Besonders die Schwabacher Laubhütte mit ihrer spätbarocken Wandmalerei ist ein Kleinod europäisch-jüdischen Kulturerbes. In Fürth, das einst wichtigstes religiöses jüdisches Zentrum Süddeutschlands war und als „fränkisches Jerusalem“ galt, beleuchtet die neue Ausstellung „Bürgerwelten“ den wirtschaftlichen und sozialen Wandel für Juden im 19. Jahrhundert.

Der Alte Jüdische Friedhof in Fürth gilt als einer der ältesten und bedeutendsten Jüdischen Friedhöfe in Deutschland. Er kann im Rahmen einer Führung besucht werden. 

juedisches-museum.org

Synagoge und Jüdisches Museum Augsburg

Monumentaler Stilmix: Synagoge Augsburg 

Die jüdische Gemeinde in Augsburg und Bayerisch-Schwaben blickt zurück auf eine über 800-jährige Geschichte. Die monumentale Synagoge in Augsburgs Innenstadt wurde zwischen 1913 und 1917 erbaut. Sie zählt zu den schönsten Synagogen Europas.

Jugendstilelemente, byzantinische und orientalisierende Details sowie Anklänge an die jüdische Renaissance zeichnen sie aus. Bemerkenswert die knapp 30 Meter hohe Kuppel aus Eisenbeton, deren Inneres ein grün-goldenes Mosaik schmückt. Das angeschlossene Museum zeigt Kult-, Ritual- und Alltagsgegenstände der zerstörten jüdischen Gemeinden Schwabens, darunter Arbeiten von Augsburger Silberschmieden aus dem 17. bis 19. Jahrhundert.

Das Museum bietet Themenführungen an, auch durch die Stadt Augsburg. Wechselnde Ausstellungen und Veranstaltungen finden in der Museumsdependance Ehemalige Synagoge Kriegshaber statt. Das profanierte und sanierte Gotteshaus ist die älteste erhaltene Synagoge in Bayerisch-Schwaben. 

jmaugsburg.de

Jüdisches Zentrum München

Zelt Jakobs: Jüdisches Zentrum München 

Das Gemeindezentrum der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, das größte in Bayern, liegt am Jakobsplatz im Zentrum der Stadt. Es besteht aus Synagoge, Museum und Gemeindebau.

Die Synagoge Ohel Jakob („Zelt Jakobs“) trägt denselben Namen wie die 1938 zerstörte Alte Hauptsynagoge in der Herzog-Rudolf-Straße. Sie wurde 2006 eingeweiht und zählt zu den eindrucksvollsten Synagogen-Neubauten in Europa. Der markante quadratische Felssockel erinnert an die Klagemauer in Jerusalem. Darauf sitzt ein gläserner Aufbau, umhüllt von einem bronzefarbenen Metallschleier. Vom Gemeindehaus führt der unterirdische „Gang der Erinnerung“ in die Synagoge. In ihm sind die Namen von mehr als 4.500 Münchner Juden abgebildet, die in der Zeit des Nationalsozialismus ermordet wurden.

Öffentliche Führungen werden angeboten. Das benachbarte Museum birgt eine Dauerausstellung zur jüdischen Geschichte Münchens und Gegenwart sowie wechselnde Ausstellungen. 

www.juedisches-museum-muenchen.de

Jüdischer Friedhof Regensburg

Gelehrten-Hochburg: Regensburg 

Die älteste jüdische Gemeinde Bayerns existierte in Regensburg. Sie wurde im Jahr 981 erstmals urkundlich erwähnt. Im Mittelalter war Regensburg ein Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit, seine Talmud-Schule war berühmt. Die Synagoge war neben Prag und Worms eine der größten in Europa.

Im 15. Jahrhundert setzte dann die religiöse Verfolgung ein. Ghetto und Synagoge wurden zerstört, die Juden aus der Stadt vertrieben. Erst im 18. Jahrhundert ließen sich Juden wieder in Regensburg nieder – bis die Gemeinde im Nationalsozialismus abermals ausgelöscht wurde. Der Zuzug zahlreicher Juden aus Osteuropa brachte Ende des 20. Jahrhunderts neues jüdisches Leben in die Stadt.

Heute zählt die Gemeinde mehr als tausend Mitglieder. Besucher können in Regensburg mit dem Stadtplan „Das jüdische Erbe wiederentdecken“ (auch online als PDF verfügbar) Spuren seiner jüdischen Geschichte entdecken. Organisierte Stadtrundgänge bietet die Initiative „Shalom in Regensburg“ an. 

shalom-in-regensburg.de | regensburg.de

Synagoge Sulzbach

Berühmt durch Bücher: Gemeinde Sulzbach 

In Sulzbach, im Oberpfälzer Jura, existierte ab der Mitte des 18. bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts eine blühende jüdische Gemeinde. Auch gab es im Ort die deutschland- und europaweit bedeutendste hebräische Buchdruckerei. Fast 200 Jahre lang wurden dort Talmud-Ausgaben, Gebetbücher, Erbauungsliteratur und mehr hergestellt. Erst im 19. Jahrhundert gaben die Sulzbacher Buchdrucker ihre führende Rolle an Frankfurt, Wien und Krakau ab.

Die Synagoge in Sulzbach wurde nach einem Stadtbrand von 1822 in klassizistischem Stil neu erbaut und galt als eine der schönsten in Bayern. Sie wurde 1936, nachdem sich die Gemeinde aufgelöst hatte, profaniert und an die Stadt verkauft. Sie entging den Novemberpogromen 1938. Eine grundlegende Sanierung wurde 2013 abgeschlossen. Dabei stellte man den Innenraum nach historischem Vorbild mit weiß gekalkten Wänden und grau marmorierten Säulen wieder her.

Eine Thora-Rolle aus Sulzbach von 1792/1793 wurde erst jüngst wiederentdeckt, restauriert und 2021 bei einem Festakt im Deutschen Bundestag symbolhaft fertiggestellt. Die Synagoge und eine Ausstellung können besichtigt werden. 

synagoge-sulzbach.de

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