Insekten haben ein eher durchwachsenes Image. Das will Melanie Chisté ändern. Die promovierte Biologin ist großer Fan der kleinen Sechsbeiner. Als Rangerin im Naturpark Fränkische Schweiz – Frankenjura bringt sie ihre Lieblinge Jung und Alt näher
Rangerin Melanie Chisté
„Die Begeisterung für Tiere aller Art war immer schon da“, erinnert sich Melanie Chisté. „Schon als Kind habe ich gern Tierdokumentationen angesehen und alles beobachtet, was kreucht und fleucht.“ Diese Neugierde ist geblieben. Mehr noch: Sie wuchs und wuchs. Und auch ihr Tierwissen.
Das teilt die junge Frau nur allzu gern mit anderen – bei öffentlichen Hecken-Exkursionen, Höhlenwanderungen und ihrer Spezialität, den Heuschrecken-Exkursionen.
Bei denen führt Melanie interessierte Gäste, ausgerüstet mit Keschern und Becherlupen, zur Beobachtung und Bestimmung auf eine Wiese, mit Vorliebe in der Nähe von Pommelsbrunn. Doch es gibt noch viele weitere Einsatzorte im Naturpark Fränkische Schweiz – Frankenjura, der mit rund 2.300 Quadratkilometern zu einem der größten in Deutschland gehört.
Um Areale wie diese zu bewahren, hat das bayerische Kabinett 2018 die „Naturoffensive Bayern“ gestartet und im Freistaat mehr als vierzig Rangerinnen und Ranger eingestellt. Eine davon ist seit 2019 Melanie.
Insekten-Insiderin mit Doktortitel
Konkret betreut die gebürtige Mittelfränkin die Landkreise Amberg-Sulzbach und Nürnberger Land. Ihre Schwerpunkte liegen auf Öffentlichkeitsarbeit, Biodiversitätsschutz, Monitoring und Bildungsarbeit.
Kurz: Sie klärt Besucher auf, organisiert und sorgt dafür, dass diese nicht nur auf Wiesent und Pegnitz Kanu fahren, sportklettern oder auf 5.000 Kilometern markierten Wegen wandern, sondern auch etwas über sensible Ökosysteme sowie seltene Pflanzen und Tiere erfahren.
„70 Prozent aller Tierarten sind Insekten"
Davon gibt es zwischen Lichtenfels und Hersbruck jede Menge, insbesondere im Bereich Insekten. Da kennt sich Melanie, die in Bayreuth Biologie und Molekulare Ökologie studiert hat, bestens aus. Woher ihre Leidenschaft gerade für die Krabbler, Schwirrer und Hüpfer kommt?
„Zum einen gibt es so viele verschiedene“, strahlt sie. „70 Prozent aller Tierarten sind Insekten. Sie leben bis auf die Tiefsee fast überall. Und zum anderen sind die Tiere, die es seit 400 Millionen Jahren gibt, unglaublich anpassungsfähig, aber auch total spezialisiert. Das alles fasziniert mich ungeheuer.“
Grillen, Langfühler- oder Kurzfühlerschrecken?
Durch ihre Doktorarbeit – Melanie promovierte in Darmstadt über die Auswirkungen der Landnutzung auf die Artenvielfalt von Wieseninsekten – richtete sich ihr Fokus zunehmend auf Heuschrecken.
„Weltweit zählt man 28.000 Arten, die meisten davon leben in den Tropen. In Deutschland kommen immerhin achtzig Arten vor“, weiß Melanie, „darunter Grillen, die im Frühling als Erste so schön Musik machen, außerdem Langfühlerschrecken, Kurzfühlerschrecken, Grashüpfer.“
Im Naturpark lassen sich gut 55 Arten hören und blicken. Auch ihr Liebling, die Kleine Goldschrecke, eine Kurzfühlerschrecke. „Die finde ich einfach toll“, schwärmt die Rangerin, „sie sieht so besonders aus. Auch ihr Lebensraum ist schön: Magerrasen, der nicht so intensiv bewirtschaftet wird.“
Hecke oder Höhle? Hauptsache Natur!
So spannend das wissenschaftliche Arbeiten auch war: Melanie wollte mehr in die Natur, mehr in die Praxis. Bei Menschen die Faszination für die Natur wecken. Vorsatz eingelöst: Nach einem Abstecher in die Umwelt- und Landschaftsplanung führte ihr Weg schnurstracks in den fränkischen Naturpark, genauer: ins Team der Naturpark-Ranger.
Dort kann sie neben Büroarbeit, die – O-Ton Melanie – „nun mal auch dazu gehört“, genau das machen: mit Menschen draußen sein. „Wir legen Lehrpfade an und sind oft bei Exkursionen in der Natur. Oder wir veranstalten Aktionen für Kinder.“ Bei jungen Hupfern kommen ihre Angebote extragut an. „Manche schicken mir nach der Tour eigene Heuschreckenfotos. Oder malen Heuschreckenbilder!“
Ebenfalls in ihrem Portfolio: Höhlenwanderungen in einige der rund 2.000 Karsthöhlen der Region sowie Hecken-Exkursionen. Das sind Wanderungen auf den Ossinger, das Dach des Naturparks. „Dort gucken wir uns Heckensträucher wie Wacholder, Hasel und Schlehe an und ich erzähle dazu alles Mögliche, auch Historisches oder spannende Dinge zur Nutzung dieser Pflanzen.“
Alternative Ideengeberin
Melanies Überzeugung lautet, dass „die Faszination des Einzelnen die Grundlage für einen respektvollen und interessierten Umgang mit der Natur ist“. Der Artenschutz liegt ihr dabei besonders am Herzen. So sieht ein Projekt vor, die seltene Bachmuschel aufgrund immer öfter trocken fallender Bäche in passende Gewässer umzusiedeln.
„Die Faszination des Einzelnen ist die Grundlage für einen respektvollen Umgang mit der Natur“
Eine anderes Mal geht es darum, Freizeitsportler „umzusiedeln“. Das nennt sich dann Besucherlenkung und -sensibilisierung. So muss sie etwa Naturparkgästen klarmachen, dass sie im Winter nicht in die Höhlen gehen dürfen, weil dann Fledermaus-Schutzzeit ist.
„Wenn da Leute reingehen, wachen die Fledermäuse aus dem Winterschlaf auf, finden nichts zu fressen und können dadurch sterben.“
Melanie verbietet aber nicht einfach, sondern informiert über Alternativen. „Das kann im Winter eine Langlauftour in Etzelwang oder eine Wanderung rund um Betzenstein sein, in der warmen Jahreszeit eine Tour am Eibgrat. Da geht es, vorausgesetzt, man ist trittsicher, über einen felsigen Grat, mit vielen Aussichtspunkten und Blick über eine herrliche Landschaft.“
Den einen Lieblingsort zu benennen ist für sie quasi unmöglich. „Es gibt so viele!“ Ganz vorne dabei ist aber der Hohenstädter Fels bei Hersbruck: grandiose Aussicht, markante Form und ein besonderer Lebensraum, Stichwort Magerrasen!
Gemäß Melanies Grundsatz „Am glücklichsten bin ich, wenn ich in der Natur sein kann“ wird man sie bald noch glücklicher erleben. Schließlich will sie ihr Outdoor-Angebot ausbauen, von der stationären Heuschreckenbeobachtung zur Heuschreckenwanderung.
Da ist dann auch physisch mehr Bewegung im Thema drin, inhaltlich ist es das längst. Ein Highlight war erst vor Kurzem, „als wir eine ganz seltene Heuschreckenart gefunden haben, eine Rotflügelige Ödlandschrecke. Die roten Flügel sieht man nur, wenn sie fliegt.“ Keine Frage, die kindliche Begeisterung ist Melanie geblieben. Gut so!