Den Naturschützer Christian Salomon, den Landwirt Reinhold Tausch und den Koch Horst Wirth vereint eine Sache: Sie lieben Wasserbüffel. Salomon liebt die Wasserbüffel, weil sie ihm sein Lieblingsbiotop getrampelt haben. Tausch ist der „Büffelflüsterer“. Und der Koch schätzt das gute Fleisch
Wasserbüffel im Naturpark Spessart
„Buffalooo! Buffalooo!“, lockt Christian Salomon ein paar Wasserbüffel, die gemächlich aus ihrem Unterstand stapfen. Die Hornviecher – eine halbe Tonne schwer, mannshoch und über zwei Meter lang vom Schwanz bis zur Schnauze – haben aus einem feuchten, ökologisch eher uninteressanten Abschnitt des Hafenlohr-Tals „sein“ Lieblingsbiotop getrampelt.
Jetzt schnaufen sie Dampf in die kühle Morgenluft, rupfen Brennnesseln und ignorieren Salomon. Denn der Naturschützer hat keinen Eimer Rüben dabei. Der Mittvierziger mit dem Schlapphut betreut seit 2009 die Beweidung im Naturpark Spessart.
Wilde Natur kehrt zurück
„Das Biotop ist ein Traumprojekt für mich als Gebietsbetreuer“, sagt Salomon. „Ich mag diese Tiere, sie strahlen eine archaische Kraft aus. Und ich liebe die Wildnis. Wildnis ist selten geworden. Aber hier, auf einer Fläche von zwanzig großen Fußballfeldern, haben wir viel wilde Natur zurückerobert. Mithilfe der Wasserbüffel.“
„Bis zu einem Meter Spannweite haben die Hörner.“
Salomon horcht kurz auf, als ein Schwarzspecht ruft. Er lächelt sein breites Lächeln, schwingt sich über ein Absperrgatter und läuft die Senke zum Flüsschen Hafenlohr hinunter.
„Die Büffel beweiden zurzeit einen anderen Abschnitt“, beruhigt er uns, „den Auslauf der Tiere würde ich mit Fremden nicht betreten. Zu gefährlich.“ Er breitet die Arme aus und lacht: „Bis zu einem Meter Spannweite haben die Hörner.“
Büffel als Landschaftspfleger
Die wild mäandernde Hafenlohr sowie Tümpel und Wasserlöcher, Gräser und Blumen, Gestrüpp, Laubbäume und Büsche bilden das Biotop. Dort ist alles grün, aber so einfach ist es nur auf den ersten Blick.
Salomon bringt System in das hübsche Gewirr, er bestimmt Binsen- und Seggenarten, Sumpfquendel, Wasserstern und Teufelskralle. „Viele Pionierpflanzen“, schwärmt er.
„Lässt man Wasserbüffel auf eine Feuchtfläche, fressen sie die vorhandene Vegetation ab und legen sich Suhlen an. Auf den neu geschaffenen Flächen siedeln sich Pionierpflanzen an. Insekten und Amphibien wandern zu, die dort zuvor keinen Lebensraum gefunden haben.“
Baden für das Biotop
Die Flächen stellte die Forstverwaltung von Carl Friedrich Prinz zu Löwenstein-Wertheim-Rosenberg 2008 für das Projekt des Naturparks Spessart zur Verfügung. Fichtenforste wurden gerodet, fünf Wasserbüffel begannen, im feuchten Gelände Wasserlöcher anzulegen. Wasserbüffel lieben es, sich im Matsch zu suhlen.
Wasserbüffel lieben es, sich im Matsch zu suhlen.
Die Schlammschicht auf ihrer schwarzbraunen Haut kühlt und schützt sie vor Insekten.
Heimische Rinder würden so feuchte Wiesen eher meiden, ihre Klauen vertragen nicht viel Nässe.
Vogelnest aus Büffelhaar
Manche Einheimische waren erst mal nicht so begeistert von den bulligen Urviechern, schließlich sahen sie gefährlich aus und „machten alles kaputt“. Diese Vorurteile widerlegt Christian Salomon. Er zeigt, was alles wuselt und wimmelt in den Wasserlöchern, was summt und fliegt, schwimmt und schleicht. Die Gummistiefel-Exkursionen über die wilde Weide sind ausgebucht.
Vom Dungkäfer-Spezialisten bis zum Kindergartenkind steckt Salomon alle mit seiner Begeisterung an. Immer dabei hat er ein Vogelnest aus Büffelhaar. Es ist das Symbol für die gelungene Verbindung von Weidenutzung und Naturschutz.
Frosch im Glas
Stopp an einem Tümpel. Ein schneller Schwung mit dem Kescher – und schwupp hockt der Frosch im Netz. Gleich rudert er im Gurkenglas erstaunt mit den Ärmchen.
„In die Wasserlöcher ziehen Frösche und Molche ein, Libellen und viele weitere Insekten sowie Vögel folgen“, erklärt Salomon, dann deutet er auf eine Büffelspur. In den Trittlöchern steht das Wasser. Ein Grünfrosch bläht seine Schallblasen. „Ich freue mich über dieses Stück heile Welt“, sagt Salomon und zeigt auf den Rotmilan, der über dem Tal elegante Kreise zieht.
Biber, Otter, Wildkatze, Luchs
An der Hafenlohr legen Biber Staudämme an, Fischotter jagen dort. Sogar Wildkatzen und Luchse hat die Infrarotkamera schon eingefangen, verrät Salomon sehr stolz, obwohl er keinesfalls Tierfotografen anlocken möchte. Glücklicherweise schrecken die Wasserbüffel unerwünschte Eindringlinge davor ab, über die Zäune zu klettern – wer will schon mit den Urviechern zusammenrumpeln.
6.000 Wasserbüffel für die Renaturierung
Bundesweit grasen mehr als 6.000 Wasserbüffel, zunehmend werden sie zur Renaturierung und Pflege von Feuchtbiotopen eingesetzt. Mit dem europäischen Klima kommen sie gut zurecht. Eigentlich sind die Riesen mit den malerisch geschwungenen Hörnern Rückkehrer: Knochenfunde, zum Beispiel aus dem Rheintal, belegen, dass sie vor 120.000 Jahren zur normalen Beute der hiesigen Jäger gehörten.
Reinhold, der Büffelflüsterer
„Na, Großer“, witzelt Salomon, als der Schäfer Reinhold Tausch auftaucht, dem die 25 Wasserbüffel im Hafenlohr-Tal gehören. „Reinhold ist Büffelflüsterer“, verrät Salomon, und boxt ihn liebevoll in die Seite.
„Wenn er Buffalooo schreit, grunzen sie wie Wildschweine als Antwort und setzen sich in Bewegung. Er ist der Einzige, der sich den Kolossen problemlos nähern kann.“
Zum Beweis klettert Tausch über den Zaun und geht auf die Herde zu, die sich in einer Schlammsuhle drängt. Obwohl eine Mutterkuh mit Jungtier bei der Herde ist, passiert nichts. Die Tiere trotten nur langsam auf Reinhold zu. Er verteilt Rüben und Kartoffeln – auch Wasserbüffel kriegt man mit Leckereien.
Wenn Tausch „Buffalooo“ schreit, grunzen die Büffel wie Wildschweine als Antwort und setzen sich in Bewegung.
Winterquartier beim Schäfer
„Ich verlade die Tiere zweimal im Jahr auf einen speziellen Hänger, in den sie einfach hineinspazieren können. Die Winter verbringen sie bei mir in der Schäferei in Bergrothenfels. Dann gibt es im Tal nicht genug zu fressen“, sagt der 72-jährige Schäfer. „Im Moment habe ich die Stiere bei mir oben.“
Um das, was die Büffel stehen gelassen haben, kümmern sich im Winter drei Exmoor-Ponys. Harte Stängel und dornige Zweige, die andere Weidetiere verschmähen würden, machen ihnen nichts aus. Sie fressen Binsen, Brombeeren und Sträucher ab. Exmoor-Ponys sind robust wie Wildpferde und kommen gut in Mooren und Feuchtgebieten zurecht.
Preisgekröntes Futter
Tauschs ganzer Stolz sind seine 500 deutschen Schwarzkopfschafe, die Büffel und Rinder und seine Wiesen und Weiden. Bei der Bayerischen Wiesenmeisterschaft kam er vor ein paar Jahren auf den vierten Platz.
Im Allrad-Wagen gehen wir auf Tour rund um sein 150 Hektar umfassendes Reich. Die Gräser stehen hoch, sie sind durchsetzt mit Wildblumen, sogar Orchideen gedeihen an einigen Flecken, denn es wird weder gespritzt noch gedüngt. Das preisgekrönte Heu bekommen im Winter neben seinen Wasserbüffeln auch Galloway-Rinder, Schafe und Pensionspferde zu fressen.
„Kein einziges Rehkitz ist bei der Mahd umgekommen, mit geeigneten Maßnahmen kann man das verhindern“, betont Tausch. „Ich liebe alle Tiere, große und kleine. Schon als Kind habe ich Vögeln gebrochene Flügel geschient.“
Gutes Leben – guter Geschmack
Schlachten muss er trotzdem. Das Fleisch von der Schäferei Tausch wird unter der Regionalmarke „Grünland Spessart“ verkauft. Die Leute reißen sich darum. Wer nicht rechtzeitig vorbestellt, geht leer aus.
„Dass meine Tiere das beste Leben gehabt haben, schmeckt man“, freut sich Reinhold Tausch. „Mir ist wichtig, dass nichts weggeworfen wird. Bei unseren Fleischpaketen, die die Stammkunden bestellen und am Hof abholen, sind auch die weniger edlen Teile dabei.“
„Mir ist wichtig, dass nichts weggeworfen wird.“
Fast so gut wie Wagyu-Fleisch!
Edel oder unedel, das ist Horst Wirth egal. Ihm fällt zu jedem Stück Fleisch etwas ein. Der leidenschaftliche Koch und Wirt des Gasthauses „Zum Löwen“ in Rieneck serviert einmal im Jahr auch Schwäne und Schlangen, Dachse und Bienenlarven. „Nose to Tail“ habe er schon zelebriert, als es den Begriff noch gar nicht gab.
Drei bis vier halbe Wasserbüffel verarbeitet Wirth jedes Jahr. Setzt er die auf die Karte, ist seine Wirtschaft umgehend ausgebucht.
Kräftig, mit einem leichten Wildgeschmack, schön marmoriert und reich an gesunden Fettsäuren und Mineralstoffen sei das Wasserbüffelfleisch, so Wirth. Er vergleicht es mit dem Fleisch des legendären japanischen Wagyu-Rinds. Vielleicht liegt es an dem artenreichen Grünzeug, das sie mampfen: Brennnesseln, Disteln, Schilf, Sauergräser und im Winter das Luxus-Heu von Tausch.
Auf der faulen Haut liegen
Horst Wirths Lieblingsessen ist Wasserbüffel-Tataki. Das feine, charaktervolle Hüftfleisch mariniert er in Pfeffer und Zitronenabrieb. Dann brät er es scharf an und legt es in Eiswasser, um den Garvorgang zu unterbrechen. Über das in dünne Scheiben geschnittene Fleisch gibt er Mangosoße.
„Ich bin immer gern in fremde Länder gereist, selbstverständlich habe ich alle lokalen Köstlichkeiten probiert“, sagt er und schiebt ein Stück Hochrippe zur Seite. „Schwan war in Europa ein Königsessen. Man muss einen jungen nehmen, den kann man mit Ente vergleichen. Dachs erinnert an Wildhase. Wasserbüffel kenne ich aus Asien. Aber was Tausch mir liefert, das schmeckt besser“, sagt er. „Vielleicht, weil die Wasserbüffel vom Tausch nicht arbeiten müssen. Die liegen die ganze Zeit auf der faulen Haut
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