Pausen gehören zum Genusswandern. Ausblick vom Trekkingplatz Geusfeld
Fränkisch quietschgrün

Wandern und Weingenuss? Klar! Die sonnenverwöhnten Westhänge des Steigerwalds machen es möglich. Wir wanderten über den Steigerwald-Panoramaweg und andere Routen durch geschichts- und artenreiche Mittelgebirgslandschaften.

Lesezeit: 17 Minuten

Genuss auf dem Steigerwald-Panoramaweg

„Wein ist nicht alles, doch ohne Wein ist alles nichts“, lautet das Motto von Barbara Baumann. In der Tat dreht sich bei der Frohnatur aus dem unterfränkischen Handthal viel um das flüssige Traubengold. Schließlich ist sie nicht nur als Winzerin im eigenen Familienweingut aktiv, sondern auch als Dozentin für Wein- und Genusskultur, als Landfrauenköchin im Bayerischen Rundfunk sowie als Vorsitzende der rund 300 „Gästeführer Weinerlebnis Franken“.

Nun kommen auch wir in den Genuss, wortwörtlich! Bei unserem Vormittagstreffen hat sie einen Picknickkorb dabei. Mit Trauben, Käse und – natürlich, immerhin ist er die „Nummer eins vom Steigerwald“ – einem Silvaner. Und jeder Menge Geschichten. Etwa die, wie die idyllischen 45 Häuschen zu ihrem Ortsnamen kamen.

Winzerin Barbara Baumann aus Handthal im Steigerwald

Upgrade für den Bocksbeutel

„Der Sage nach blieb der Teufel, als er durch die Welt zog, um Gottes Schöpfung zu bestaunen, mit seinem Pferdefuß im Main-Bett hängen“, erzählt Baumann. „Mit der Hand schlug er dann in die noch weiche Welt. So entstand Handthal als Abdruck seiner Hand.“

Ganz irdisch ist die Story vom Bocksbeutel. Für das Design-Upgrade der kugeligen, eher gedrungenen Flaschenform, die als unverkennbares Markenzeichen fränkische Weine gilt, wurde vor einigen Jahren Peter Schmidt gewonnen.

Eine große Sache, hat der Star-Designer doch schon Apollinaris und Nouveau Cologne von 4711 zu einer zeitgemäßen Form verholfen. Runde Sache kann man indessen schlecht sagen, kommt die Flasche nach dem Facelift weniger bauchig und eher kantiger als das Original daher. Baumann findet’s prima: „Wir füllen unseren Wein nur noch in den moderneren Flaschen ab.“

Genusswandern mit allen Sinnen

Bei Baumanns Touren geht es ums Schauen, Zuhören, Riechen, Schmecken. Letzteres ist in Handthal generell ausgeprägt. Auf 120 Einwohner kommen sechs Gastrobetriebe, darunter Landgasthäuser und alternativere Adressen wie das „Café Lust“. Diese Ballung überzeugte auch eine Jury zur Aufnahme in die Riege der „100 besten Genussorte Bayerns“, zu denen auch die Steigerwald-Orte Fatschenbrunn, Abtswind, Höchstadt an der Aisch und andere zählen.

Es geht ums Schauen, Zuhören, Riechen und Schmecken

Womöglich ebenfalls ein Argument: die lokale Spezialität Hirschbraten mit Klößen und Blaukraut. Zu der wird, wie es heißt, „gern eine fränkische Domina gereicht“. Wer nun ins Stutzen kommt: Hinter diesem Begriff steckt (auch) eine rote Rebsorte …

Auf dem Weg der Erkenntnis

Gegen lückenhaftes Weinwissen hilft der zur Stollburg hinaufführende „Weg der Erkenntnis“. Das die 267 Stufen zur Ruine begleitende Geländer erzählt die über acht Jahrtausende alte Geschichte des Weins. Da geht es auch um die einst im nahen Kloster Ebrach ansässigen Zisterzienser, die den Weinbau in der Region einführten.

Und um den hiesigen Stollberg als Frankens höchste Rebenlage sowie dessen Standortvorteile: die direktere Sonneneinstrahlung dank der aus der Fränkischen Keuperebene abrupt ansteigenden Hänge sowie der rundum dichte Wald, der wie eine schützende Kappe wirkt.

Tatsächlich fragt man sich mitunter: Wo hört der Wald auf, wo fängt der Weinberg an? Ein Grün verschmilzt mit dem nächsten und alles scheint mit allem verbunden.

Wandern im Steigerwald: Kloster Erbrach
Erster Stempel geschafft: Schafft ihr alle sechs?
Auch kleine Wasserläufe kreuzen den Weg im Ebracher Forst

Frankens quietschgrünes Herz

Am liebsten würde man sich gleich den regelmäßig vorbeiziehenden Wanderern anschließen, sei es auf einer der vielen, hier beginnenden Strecken oder zumindest auf dem kurzen „Franziskusweg“ mit seinen zum Nachdenken anregenden Stationen wie etwa einem begehbaren Bienenhaus.

Das Bienenhaus liegt neben dem Steigerwald-Zentrum, dem idealen Startort jeder Tour. Alles dort wirkt einladend: das flache Gebäude aus Glas und Rotbuche, das sich dezent an den Waldrand schmiegt.

Der Erlebnisspielplatz davor mit dem besteigbaren Feuersalamander, einem der Wappentiere der Region. Und Andreas Leyrer, der gerade aus dem Fenster winkt und uns zum Eingang lotst.

Was ist die Steigerwald-Identität?

Wir folgen seinem Fingerzeig und dann dem Holzstamm, der im Freien mit Wurzelwerk beginnt und in das Gebäude ragt, nur durch eine Scheibe getrennt. „Damit wollen wir die Natur ins Haus hineinbringen“, erklärt der Forstliche Leiter der 2014 eröffneten Institution.

Er erzählt noch viel mehr. Vom langen Einfluss der Kirche(n) und deren Auswirkung auf Wald und Kultur (Stichwort „katholische versus evangelische Bratwurst“). Vom aktuellen Klimastress der Bäume und von neuen forstlichen Aufgaben. Und von der Schichtstufenlandschaft, überhaupt der Geologie, die der Region ihren Charakter gegeben hat.

Dieses Wissen vermitteln Leyrer und Team Kindergarten- und Schulkindern sowie erwachsenen Besuchern. Wobei man sich an vielen Mitmachstationen selbst ein Bild machen kann. Glasklar: Im Fokus des Infozentrums steht neben Nachhaltigkeit und Waldbewirtschaftung das Anliegen, die Sensibilität für den 1.280 Quadratkilometer großen Naturpark Steigerwald zu steigern. Leyrer formuliert es so: „Wir wollen die Steigerwald-Identität stärken.“

Interaktive Ausstellung zum Thema Wald im Steigerwaldzentrum
42 Meter Höhe misst der Aussichtsturm im Steigerwald
Von oben wirkt die Szenerie besonders spektakulär

Baumwipfelpfad Steigerwald: Herausragend

Der 2016 eröffnete Baumwipfelpfad Steigerwald bei Ebrach liefert dazu einen großen Beitrag, den höchsten auf jeden Fall. 42 Meter Höhe misst der Aussichtsturm, doch seine Ausmaße offenbart das geschickt im Wald eingebettete Holzbauwerk erst kurz vor Ankunft.

Bei der kurzweiligen Wanderung vom Steigerwald-Zentrum herüber zum Turm achtet man ohnehin eher auf anderes. Auf Schwarzerlen und Eschen, die mitunter in einem Bärlauch-Meer stehen. Auf Moose und Farne. Auf die Markierungen des 161 Kilometer langen Steigerwald-Panoramawegs, der vielfach prämierten Vorzeigeroute.

Und auf Eichen und mehr noch Buchen, deren Bestände zu den ältesten und wertvollsten des Landes zählen. Deren Blätterdach sorgt, gerade im Frühling, für ein so wunderbares Grünlicht, dass wir juchzen. Wie sich diese Farbe beschreiben lässt? Apfel-, Mint-, Maigrün? Wir finden: Quietschgrün trifft es am besten.

Mit Dauerkarte über dem Alltag schweben

Auf den über dem Waldboden führenden Holzstegen, die auch Einblicke in Kletterröhren und ein überdimensionales Vogelhaus gewähren, fühlt man sich ja schon erhaben, erst recht aber auf der obersten Etage des Rundturms. Für Überblick sorgt Sandra Fischer, kommissarische Leiterin des Baumwipfelpfads. Sie erklärt: „Hier wurden 1.400 Kubikmeter einheimisches Holz verbaut. Diese Menge ist in fünf Jahren bereits nachgewachsen.“

Dass es sich beim Baumwipfelpfad nicht nur um eine Touri-Attraktion handelt, beweisen zahlreiche Dauerkartenbesitzer. „Die schätzen die vielen Events wie Weihnachtsmarkt, Waldkino, Falknereivorführung.“

Nicht im Programm stehen Flugshows von Spechten, die mehrere „Zimmer“ in einem gut einsehbaren Totholzstamm bewohnen. Der rege Verkehr begeistert Klein und Groß, ebenso wie XXL-Murmelbahn und Infotafeln am Weg.

Und für die Frage, ab wann Holz als Holz gilt, gibt es ja Sandra Fischer: „Ab sieben Zentimeter Durchmesser!“ Wieder was gelernt. Und dass es im Waldstück am Parkplatz richtig dicke kommt. 1–1,5 Meter misst der Durchmesser mancher Bäume. Von diesem Kaliber stehen dort einige, an einem Weg können Dutzende hölzerne Supersenioren gespottet werden. Passender Name der Drei-Kilometer-Runde: Methusalempfad.

Mittlerin zwischen Mensch und Natur

Jugendlichen Elan versprüht Verena Kritikos, die wir tags darauf an eben jener Stelle treffen. Die junge Frau ist seit 2019 eine von drei Naturparkrangern. Zu ihren Arbeitsfeldern gehören Unterstützung im Naturschutz und bei der Landschaftspflege sowie Bildungs- und Informationsarbeit. Kurz: Sie versteht sich als „Mittlerin zwischen Mensch und Natur“.

„Wir haben das Glück, nicht so einen Riesen-Ansturm zu erleben“

Also los! Rein in den Wald, durch den sich ein Weg mit Schlangensymbol schlängelt, eben wieder der Panoramaweg. Und wieder begeistern Buchen, Eschen, Eichen, Fichten, leuchtendes Grün. Ein starker Kontrast zum Rapsgelb am Waldrand.

Das Beste: nirgends Stau, Geschrei, Massenbewegung. „Wir haben das Glück, nicht so einen Riesenansturm zu haben wie etwa manches Alpengebiet“, meint Verena. „Selbst viele Bamberger fahren eher in die Fränkische Schweiz als in den Steigerwald.“

Tipp: Wandern auf der „Hohen Straße“

Das hat ihrer Meinung nach auch Vorteile: „Man kann stundenlang wandern, ohne groß auf Straßen und Häuser zu treffen.“ Besonders gut ginge das auf der „Hohen Straße“, einem alten Wanderweg, der eher auf der Höhe von Ost nach West verläuft. Warum oben? „Im Tal wird‘s oft sumpfig.“

Nass wird es auch anderswo. Nach einer Weile kommen wir vorbei an Karpfenteichen, wahren Biber-Hotspots, und ins Schwitzen, als es auf eine sonnige Anhöhe oberhalb von Ebrach geht.

Ah, Pause. Und ah, dort unten Kloster Ebrach, dessen Kirche zu den großartigsten frühgotischen Kirchen in Deutschland zählt. Im Zusammenhang mit der Errichtung der Klosterbauten sind drei Herren hervorzuheben: die Baumeister-Granden Dientzenhofer, Greissing und Neumann.

Mit dem Dreiherrenbrunnen, dem nächsten Wanderstopp mitten im Wald, haben die drei nichts zu tun. Dafür hängen hier überall Bilderrahmen mit Sprüchen, untermalt von einem angenehmen Plätscher-Dolby-Surround-Sound. Auf der hölzernen Riesenbank könnte eine halbe Schulklasse Platz nehmen, kuscheliger wird es auf geschwungenen Holzliegen.

Ein guter Ort zum Verweilen. Und um Verena zu lauschen. Über ihre Arbeit mit Feuersalamandern und über deren alarmierenden Hautpilzbefall. Über das 2021 begangene 50-jährige Jubiläum des Naturparks Steigerwald. Und über die viel diskutierten Pros und Contras eines „Nationalpark Steigerwald“.

Trekkingplatz Geusfeld: Hier ist das Zelten im Wald erlaubt
Herrlicher Ausblick vom Trekkingplatz Geusfeld ins Grüne

Trekkingplätze: Wild campen, aber legal

Die Region ist ein Traum für Wanderer, denen die Alpen zu steil oder zu weit weg sind. Im Steigerwald stehen höchstens moderate Höhenanstiege an. Langweilig wird es dennoch nicht, auch nicht landschaftlich.

Abenteurer, aufgepasst: Wer bei seinen Mehrtagestouren partout den Wald nicht verlassen will (wobei die typisch fränkischen Dörfer mit Fachwerkhäusern und Bauten aus heimischem Sandstein gute Gründe dafür liefern), schläft auf einem Trekkingplatz.

Davon gibt es mittlerweile zehn in der Gegend. Einen steuern wir an, oberhalb von Geusfeld. Was er bietet: Abgelegenheit, einen Top-Blick auf die Weinhänge des Rauhe-Ebrach-Tals, ferner Lagerfeuerstelle, Komposttoilette und einen Windfang, in dem man ein Zelten aufstellen kann (andere daneben). Was er nicht bietet: fließend Wasser, Service, Komfort. Dafür kostet das Spezialcamping nur fünf Euro pro Nacht und Nase. Verena merkt an: „Eine Reservierung ist verbindlich.“

So oder so kombinieren die Trekkingplätze zwei Welten – gepflegtes Wandern und Abenteuerfeeling – und sind damit typisch für den Steigerwald: Der vereint ja nicht nur sechs Landkreise und drei fränkische Regierungsbezirke, sondern auch zwei Getränkewelten.

Im Osten regiert mitnichten der Wein, sondern das Bier. Und wie! Nirgends gibt es mehr kleine Brauereien als rund um Bamberg am Endpunkt des Steigerwald-Panoramawegs. Wie sagte schon Barbara Baumann: „Wein ist nicht alles.“

Wandern durch herrlich grünen Buchenwald im Ebracher Forst im Steigerwald

Weitere Genusswanderungen in der Region

Schlangenweg – Böhlbachtal-Runde
10 km, 3–4 Stunden, mittel

Einer der schönsten Wanderwege im Naturpark Steigerwald verspricht ein reines Naturerlebnis, bei dem man über mehrere Stunden kein einziges Haus zu Gesicht bekommt. Im Übrigen auch keine Schlangen. Der Name rührt vielmehr daher, dass sich der weder für Kinderwagen noch für Biker geeignete Pfad über mehrere Kilometer auf oft engen Wald-Trails eine Schlucht entlang sanft nach oben schlängelt. Mitunter kommt da richtiges Wildnisfeeling auf. Start- und Endpunkt ist das Winzerdörfchen Zell am Ebersberg zu Füßen der Weinreben des Schlossbergs. Tipp: Schon zu Beginn Ausschau halten, in welcher der sechs Heckenwirtschaften man bei Rückkehr einkehren will – das steigert die Motivation!
erlebnis-steigerwald.net

Von Abtswind ins malerische Prichsenstadt
17 km, 4,5 Stunden, mittel

Bis heute ist Abtswind durch seinen Weinbau und die prächtigen Sandsteinhäuser im Ortskern geprägt. Dass es 2018 wie Handthal zu den „100 besten Genussorten Bayerns“ gewählt wurde, sagt einiges. Attraktiv gestaltet sich auch die landschaftlich abwechslungsreiche, reizvolle Wanderung, die an den Abtswinder Weinbergen beginnt und durch Wald und Flur über das Jagdhaus Ilmbach und Altenschönbach zu den Weinlagen des malerischen Prichsenstadt führt. Dessen von Stadttoren, Fachwerk-Steinhäusern und Kopfsteinpflaster geprägtes Stadtbild ist ebenfalls ein wahrer Genuss!
erlebnis-steigerwald.net

Waldläufer und Weinpanorama
9 km, 3 Stunden, leicht

Handthal bietet sich als idealer Start- und Endpunkt für alle Arten von Wanderungen an, dank des informativen Steigerwald-Zentrums, etlicher Einkehrmöglichkeiten und unterschiedlicher Rundwege. Mit 300 Höhenmetern im Auf- und Abstieg gut machbar und mit etlichen Aussichtspunkten sehr attraktiv ist die Runde „Waldläufer und Weinpanorama“. Der Name ist Programm, führt die Route doch im hinteren Teil des Handthals durch die Weinhänge und immer wieder durch Waldpassagen. Den Höhepunkt bildet die Aussichtsplattform an der Ruine Stollburg. Das nahe Gasthaus lockt mit Sonnenterrasse, leckerem Essen – und bei gutem Wetter einer Top-Fernsicht.
fraenkisches-weinland.de

Von Markt Bibart nach Markt Nordheim
18 km, 5 Stunden, mittel

Ingolstadt liegt nicht nur an der Donau, sondern namensgleich auch in deutlich kleinerer Version im Steigerwald. Auf der schönen Route von Markt Bibart nach Markt Nordheim können sich Wanderer ein Bild davon machen. Dabei kommen sie auch durch schöne Buchen- und Eichenwälder und an versteckten Weinbergen vorbei. Das Finale hat es auch in sich: Markt Nordheim mit seinem wunderschön gelegenen Schloss Seehof hat nicht zufällig den Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ gewonnen …
erlebnis-steigerwald.net

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