Seit 700 Jahren schaffen und bearbeiten ostbayerische Handwerker Glas. Auf der Bayerischen Glasstraße von Waldsassen durch den Bayerischen Wald bis Passau vermitteln Glashütten, Museen und Glaskünstler Wissenswertes über das zart-zerbrechliche Material. Wir stellen 12 Stationen vor
Ostbayerns Glasstraße: 12 Highlights
On the road: Die Glasstraße
Die Glasmacherkunst ist seit dem 14. Jahrhundert im Oberpfälzer und Bayerischen Wald zu Hause. Grund war der Holzreichtum der Region als Energiequelle und Quarz als Hauptrohstoff. Als Urgestein war er überall verfügbar. Die Glasstraße führt in fünf Routen zu Sehenswürdigkeiten rund ums Thema Glas, zu Glasbläser-Werkstätten, Galerien, Museen und Glaskünstlern. Selbstverständlich auch zu vielen Shopping-Gelegenheiten. Berühmte Betriebe sind unter anderen die Nachtmann Bleikristallwerke, Glashütte Eisch oder Zwiesel Kristallglas.
Die Etappen verlaufen zwischen Waldsassen und Weiden im Norden, von Waidhaus in den Lamer Winkel, zwischen Arber und Frauenau, Regen und Viechtach und vom Nationalpark Bayerischer Wald bis Passau im Süden. Auch Wanderwege berühren Stätten der Glasherstellung, darunter der Gläserne Steig, der Glasschleiferweg und der Historische Glashüttenwanderweg.
dieglasstrasse.de
Farbexplosionen: Lamberts in Waldsassen
In Waldsassen beginnt die Glasstraße. Die Stadt ist berühmt für ihre Stiftsbasilika, die Bibliothek im Kloster der Zisterzienserinnen und die barocke Dreifaltigkeitskirche Kappl. Hier hat Lambert Glas seinen Sitz. Die Firma stellt mundgeblasene Echt-Antikgläser her. „Antik“ bezieht sich auf den traditionellen Produktionsprozess. Die drei Millimeter starken und sechzig mal neunzig Zentimeter großen Kompositionen aus Licht, Glas und Farbe besitzen einzigartige „Transparenz, Brillanz und Körperhaftigkeit“.
Über fünftausend Farbmischungen sind verfügbar. Sie werden eingesetzt in Glaskunstwerken, Kirchenfenstern sowie Gebäuden und schmücken weltweit Flughäfen, Kirchen, Synagogen und Privathäuser. Beispiele sind die Christ Church Cathedral in Vancouver, eine Metrostation in Shenzhen oder der Kaiserdom in Speyer. Die spektakulären Lichttafeln zieren als Hingucker auch gar manches Wohnzimmer!
lamberts.de
Wände voller Geschichten: Die Gläserne Scheune in Viechtach
Der Glaskünstler Rudolf Schmid hat Legenden und Sagen aus dem Arberland in Wandbilder gebannt. Etwa Ereignisse aus dem Leben des Mühlhiasl, eines geheimnisumwobenen „Weissagers“, oder die Geschichte vom legendären Räuber Heigl, einer Art Robin Hood aus Bad Kötzting. Man kann die über 200 Quadratmeter bemalter Glasflächen in der „Gläsernen Scheune“ bewundern, einem Gesamtkunstwerk aus Glas und Holz.
Sie steht fünf Kilometer nordöstlich von Viechtach. Weitere Künstler aus der Familie Schmid zeigen in einer angeschlossenen Galerie ihre Werke und Schmuck aus Holz und Glas. Sehenswert ist auch das beschnitzte Scheunentor, das von den Bräuchen der Rauhnacht erzählt.
glaeserne-scheune.de
Mit besonderem Schliff: Glasdorf in Arnbruck
Bereits um das Jahr 1500 fertigten die Ahnen der Familie Weinfurtner Glas. Heute haben die Weinfurtners ihre Bleikristall-Manufaktur mit Glasschleiferei, Glasgravur und Glasofen zur Erlebnis-Location mit dem Namen „Weinfurtner DAS GLASDORF“ ausgebaut. Es liegt in Arnbruck südöstlich von Bad Kötzting.
Besucher erleben, wie aus einer heißen, zähflüssigen Masse Unikate entstehen: Gläser, Schmuck, Kunstobjekte. Sie sehen, wie Glasschleifer und Graveurinnen die Produkte veredeln und ihnen, ja, einen besonderen Schliff verleihen. Eine spezielle Technik ist das Glas-Fusing, bei dem Glasstücke miteinander verschmolzen werden. Für das leibliche Wohl der Gäste sorgen ein Wirtshaus, ein Bistro, ein Café und eine Bar!
weinfurtner.de
Entdeckungsreise: Glasmuseum Frauenau
Die Gemeinde am Fuß des Rachel ist der richtige Ort, um das faszinierende Material in einem Museum zu würdigen. Wegen seiner jahrhundertealten Glasmachertradition nennt man Frauenau auch „Das gläserne Herz des Bayerischen Waldes“. Als gläsernes Rondell angelegt, führt das Museum seine Besucher durch die Kulturgeschichte des Glases, von den Anfängen in Mesopotamien bis heute. Die Sammlung zeigt Exponate von internationalem Rang wie barocke Luxusgläser, Spiegel und Kristalllüster sowie künstlerisches Glas der Moderne.
Zudem thematisiert das Museum die kulturelle Bedeutung des Glases für Bayern und das benachbarte Böhmen. Ein weiterer Schwerpunkt ist die künstlerische Studioglasbewegung, deren europäischer Pionier, der Frauenauer Künstler Erwin Eisch, mit Werken vertreten ist. Sonderausstellungen ergänzen das Programm. Einkaufen im Museumsshop, Kaffee und Kuchen in der Cafeteria, Open-Air-Skulpturen im Gläsernen Garten.
glasmuseum-frauenau.de
Königlich: Kristallglas-Manufaktur Theresienthal
Als „Königlich Privilegierte Theresienthaler Kristallglasfabrik“ wurde die Glashütte 1836 gegründet. König Ludwig I. hatte damit den böhmischen Glashändler Franz Steigerwald beauftragt. Dieser benannte die Glashütte und das kleine Tal bei Zwiesel, in dem sie errichtet wurde, nach Ludwigs Gattin Königin Therese (sie ist ebenfalls Namenspatronin der berühmten „Wiese“ in München).
Die Manufaktur gewann mit ihren luxuriösen Produkten illustre Kunden. So stattete König Ludwig II. Schloss Linderhof mit Gläsern aus Theresienthal aus, auch der Zarenhof und die französische Kaiserin Eugenie wurden beliefert.
Wie damals stellen die Glasmacher der Manufaktur auch heute ihre edlen Gläser, Becher und Accessoires in Handarbeit her – vom Drechseln der Holzmodel über das Einblasen des Glases, Modellieren des Stiels, Anbringen der Glasapplikationen bis hin zu den Gravuren, Schliffen und Bemalungen. Neben den historischen Glasformen gibt es moderne Designs. Werksverkauf und Hüttenbesichtigung sind möglich.
theresienthal.de
Aus Meisterhänden: Hirtreiter Glaskunst
Als reine Kunstwerkstatt für Glasgravur startete Hirtreiter vor mehr als 60 Jahren. Gründer Georg Hirtreiter war in den 1920er-Jahren ein international renommierter Glasgraveur. Heute findet man in den beiden Läden in Frauenau (Hauptstraße 4 und Grafenauer Straße 22) Trinkgläser, Vasen, Lampenschirme sowie Schmuck und Dekoratives in unterschiedlichen Preisklassen.
Hirtreiter ist laut eigenen Angaben auch der wichtigste Anbieter von Glas aus den Meisterhänden der Glasfachschule Zwiesel. Handwerkliche Qualität, Innovation und die außergewöhnliche Ofenveredelungstechnik zeichnet sie aus – die Vasen und Schalen sind ein Geheimtipp für Kenner und Sammler. Ebenfalls im Sortiment findet man Gläser, Vasen und Objekte der Kristallglasmanufaktur Theresienthal, der „Hütte der Könige, Kaiser und Zaren“ vergangener Zeiten.
hirtreiter-glaskunst.de
Schillert und schimmert: Gläserner Wald
Im Städtchen Regen wächst am Fuß der Burgruine Weißenstein ein kleiner Wald aus einzigartigen Bäumen: Die dreißig Tannen, Fichten, Buchen, Kiefern und Espen sind allesamt aus schillerndem, farbigem Flachglas! Der höchste Baum, eine Tanne, ist acht Meter hoch. Der Gläserne Wald ist Touristenattraktion und Kunstwerk zugleich. Kein Baum gleicht dem anderen. Das Licht der Sonne bricht sich in bunten, kegelförmigen Baumkronen, schimmert auf kreisrunden Ästen und zackigen Zweigen oder wandert an spiralförmigen Stämmen entlang. In der Dunkelheit bringen Boden-Scheinwerfer die märchenhaften Gebilde zum Leuchten. Die Ruine Weißenstein ruht auf einem Quarzfelsen, einst war sie eine bedeutende Burganlage.
glaeserner-wald.de
Kunst und Tradition: Eisch Germany
Die Glasmacher-Tradition der Familie Eisch reicht zurück bis ins Jahr 1689 und bis nach Böhmen. Die Glashütte in Frauenau wurde 1946 von Valentin Eisch gegründet. Sein Sohn Erwin gilt als Wegbereiter der künstlerischen Studioglas-Bewegung in Europa. Er hat auch das Konzept des Glasmuseums in Frauenau mit entwickelt. Eisch Germany ist spezialisiert auf die Gestaltung von Glas als kreativem Element niveauvoller Tischkultur.
Bereits in vierter Generation verschreibt sich die mehrfach ausgezeichnete Firma dem Glasdesign und der Veredelung mithilfe von Schliff, Gravur, Sandstrahlung oder Malerei sowie Innovationen im Weinbereich. Besucher können bei Werksführungen die Entstehung eines Glasprodukts miterleben – und Gläser aus der Kollektion im Werksverkauf erwerben. Eine Galerie zeigt Werke von Studioglas-Künstlern. Die Glashütte Eisch ist durch die Gläsernen Gärten mit dem Glasmuseum Frauenau direkt verbunden.
eisch.de
Europas Herz aus Glas: Passauer Glasmuseum
Am südlichen Ende der Glasstraße, in Passau, gibt das Glasmuseum einen großen Überblick über vier Jahrhunderte europäischer Glasherstellung. Mehr als 30.000 Gläser – davon werden circa 15.000 gezeigt – spiegeln die große Vielfalt der Glasproduktion in Bayern, Böhmen und Schlesien von 1650 bis 1950 wider. Hier, im Herzen Mitteleuropas, lagen die großen Glaszentren, die im 19. Jahrhundert Europa mit Gebrauchs- und Kunstglas versorgten.
Die Glashütten waren abhängig vom Brennstoff Holz und siedelten sich deshalb in den waldreichen Mittelgebirgen nördlich und südlich von Prag an. Die Objekte im Museum – Gläser, Vasen, Schalen und mehr – sind raumweise nach Glashütten geordnet. Das Museum ist eingerichtet in dem historischen Gebäudekomplex „Wilder Mann“ direkt am Rathausplatz.
glasmuseum.de
Upcycling! Glasscherben Köck in Riedlhütte
Seit 1450 stellt man in Riedlhütte bei Spiegelau Glas her. Der Familienbetrieb Köck belebt seit 1994 diese Tradition mit einer innovativen Idee: Er verwendet Scherben aus der Glasindustrie und schafft daraus Neues. In Handarbeit entstehen Gläser, Schalen, Designobjekte ... und sogar der weltweit erst gläserne Maibaum! In der kleinen Studio-Glashütte wird jedes Glas mundgeblasen, geformt und feuerveredelt.
Besucher können das live mitverfolgen. Köck pflegt auch eine besondere Tradition: die Produktion von echtem „Waldglas“, zu erkennen an einer grünlichen Färbung, das Eisenoxyde verursachen, die im Quarzsand der Region enthalten sind. Zur Glashütte gehören ein kleines Lokal mit Biergarten und der einzigartige Wald-Glas-Garten mit Glasbäumen, -tieren und weiteren Objekten.
glasscherben-koeck.de
Kunstvoll: Glaskünstlerin Magdalena Paukner
Magdalena Paukner (Link) wurde in Zwiesel geboren und lebt ganz in der Nähe, in Lindberg. Als Absolventin der Glasfachschule ist sie staatlich anerkannte Glasbildnerin und besitzt den Meisterbrief. Seit 2013 arbeitet Magdalena Paukner als freischaffende Glaskünstlerin. Ihr Markenzeichen sind kräftig leuchtende Farben und filigrane Objekte, ihre Werke sind mal liebevoll-verspielt, mal fantasievoll-abgedreht, aber auch bodenständig und handfest.
Zu ihren Produkten gehören Schmuck, Vasen, Becher und Karaffen, Schalen, Lampenschirme und mehr. „Die Natur ist dabei mein großes Vorbild“, sagt sie. Eines ihrer bekanntesten Kunstwerke kann man in den Gläsernen Gärten bewundern. Es heißt „Das Urkraut“ und zeigt riesige Schachtelhalme. Handlicheres finden Kunden in ihrem Atelier. Und wer sich eines ihrer kunstvollen Stücke gekauft hat, komme meist wieder, so Magdalena.
magdalena-paukner.de