Andi Nöß aus Steingaden spielt in der Brass-Band "Wamba Brass Club" und ist Instrumentenbauer. In seiner Werkstatt entstehen handgefertigte „Ziacha“, also diatonische Harmonikas. Klaus Mergel (Text und Fotos) hat ihn in der Werkstatt besucht
Andi Nöß, Ziacha-Bauer
Wo Allgäu und Oberbayern aufeinandertreffen, vermischt sich nicht nur die Sprache zum „Lechroanerisch“. Manche Einheimische, so scheint es, haben sich von der Mentalität beider Volkstämme die besten Seiten herausgesucht: das sonnige Gemüt der Oberbayern. Und von den Allgäuern die Tatkraft.
Einer, auf den das zutrifft, ist Andi Nöß aus Steingaden: Vollblutmusiker und Instrumentenbauer. Und ein Original. Kann einer mit Mitte 20 schon ein „Original“ sein?
Mutterwitz hat er, das merkt man schnell. Und er ist zweifellos ein origineller „Siach“ („Kerl“ auf Allgäuer Mundart). Sagen die, die ihn kennen. Und das sind nicht wenige.
Oktoberfest-Gigs auf Sri Lanka
Überall im bayerischen Raum, wo er schon Musik machte, kennt man den Nöß. Ob mit seiner Tanzlmusi „Schreiner Buam“ oder seiner Brassband „Wamba Brass Club“.
Dreimal hat es ihn nach Sri Lanka verschlagen, wo er auf dem dortigen Oktoberfest mit seiner Gaudiband „Edelweiß“ auftrat, angekündigt als Münchner Wiesnstars. Dass die Musikanten eigentlich aus „Stoagada“ (Steingaden), und nicht aus „Minka“ (München) stammen, störte niemand.
Ziach: Bayerns Volksinstrument per se
Nöß spielt Posaune, Gitarre und Ziach (Plural: Ziacha). Die diatonische Harmonika ist das bayrische Volksmusikinstrument schlechthin. Nicht zu verwechseln mit dem Akkordeon. Zur Ziach pflegt er ein intensives Verhältnis, er baut nämlich welche in seiner Werkstatt, die sich in seinem Wohnhaus befindet. Eigentlich ist das nur ein winziger Raum. „Aber langt scho, bin ja nur i drin“, sagt er.
Einer seiner ersten Kunden war Stofferl Well, jüngster der „Biermösl Blosn“-Wellbrüder. Auf Tour für seine BR-Sendung „Strawanzen“ verschlug es Well zu den Königs-schlössern. Und er stieß beim Dreh auf Nöß. Man verstand sich, stellte Gemeinsamkeiten fest. Und Well bestellte bei dem frisch gebackenen „Handzugistrumentenmachermeister“ eine Ziach nach Maß.
„Das ist für einen Handwerker eine Traumkundschaft“, sagt Nöß. Well dazu: „Wenn man ein Instrument von einem kauft, der selber Musik macht, ist das kein Fehler.“
Der Handzug-Instrumenten-Macher-Meister kann’s!
Nach einem halben Jahr konnte Well seine Harmonika in Steingaden abholen: Eine Dreireiher aus Ahornholz, das Griffbrett in Nussbaum. Die Knöpfe sind aus Hirschhorn, wie gewünscht. 13 Bässe, gestimmt in den Tonarten C-F-B. „Schlicht, schlank, genauso, wie ich sie haben wollte“, sagt Well.
Der Sound ist knackig, schiebt an. So wie vor 80 oder 100 Jahren die Harmonikas klangen, so hat ihm Nöß die Ziach gefertigt. Und der findet: „ Schia, dass’ Dir gefallt.“ (Schön, dass sie Dir gefällt) Man merkt gleich: Beim Nöß ist praktisch alles in Lechroaner-Dialekt – auch WhatsApp-Nachrichten.
Sein Handwerk lernte der 25-Jährige bei der legendären Manufaktur Öllerer in Freilassing, die Harmonikas ihren Kunden ausschließlich auf den Leib schneidert. „Als ich mich damals um eine Lehrstelle beworben hab, gab es keine “, erinnert sich Nöß. „Lern erst Schreiner“, so die Empfehlung von Öllerer-Chef Hans Kirchhofer.
Nach der Schreiner- die Harmonikamacher-Lehre
So geschah es: Als frischgebackener Schreinergeselle kam er zur begehrten Lehrstelle. Wurde Landessieger. Und legte auf den Gesellenbrief noch den Meister drauf. „Das war sicher nicht verkehrt, ich hab viel über Holz, Werkzeuge und Maschinen gelernt“, sagt er über den Umweg. Und grinst. „Aber ein Schreiner will ich nicht sein.“
Logisch, da sich bei Nöß ja alles um die Musik dreht. Wer so ein „wechseltöniges Handzuginstrument“ bauen will, braucht mehr als handwerkliches Geschick. Er braucht ein gutes Gehör, denn das Stimmen der Harmonika ist die halbe Arbeit. „Und man braucht das Gespür, welche Klangfarbe – ob brummig, singend oder krachert – zum Kunden passt.“
150 Stunden Arbeit für eine Ziach
Im Herbst 2019 macht Nöß sich selbstständig: Sein Lehrherr lässt ihn schweren Herzens ziehen: Nöß besitzt viel Geschick und besagtes Gespür. Nun werkelt er in seiner Werkstatt an seinen Modellen, seitlich an einem stilisierten „N“ als Logo erkennbar. Hundert bis 150 Stunden sitzt er an einer handgemachten Ziach. Dass die nicht zum Schnäppchenpreis zu haben ist, ist klar. Weil er auch als Posaunist eine Menge Ahnung vom Blech hat, repariert er nebenbei bei einem kleinen Musikalienhändler in Marktoberdorf Tuben, Trompeten und Posaunen.
Was für ihn jedoch das Schönste ist: „Dass ich wieder in der Heimat bin“, sagt er. Und strahlt. Denn in seinen Jahren in Freilassing fuhr er jedes Wochenende heim nach Steingaden: Da war Freundin Mirjam, mit der er heute zusammenlebt. Und natürlich die innige Bindung an diesen einzigartigen Flecken zwischen Oberbayern und Allgäu.